Bundespräsident Steinmeier hat den 18. April als Datum für eine zentrale Trauerfeier für die Corona-Toten festgelegt. Die Gesellschaft müsse gemeinsam inne halten und Abschied nehmen.
Bonn – Es ist nur eine Kurve auf einer Grafik. Wieder ansteigend seit Oktober, mit Spitzenausschlägen Mitte Januar. 1.734 Tote am 19. Januar, so verkündeten es die Nachrichten. Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts werden täglich in die Wohnzimmer und auf den Frühstückstisch der Zeitungsleser transportiert. Fast ein ganzes Dorf starb in den vergangenen Tagen täglich an Corona in Deutschland. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat ausgerechnet, dass in den sechs Wochen seit Jahresbeginn genau so viele Menschen an der Pandemie gestorben sind wie im vergangenen Jahr. Mehr als 60.000 Menschen insgesamt.
Auf die reinen Fallzahlen und die Statistik reduziert
In der Öffentlichkeit werde das Sterben jedoch häufig auf die reinen Fallzahlen und die Statistik reduziert, beklagte kürzlich die evangelische Regionalbischöfin Petra Bahr. Dies sei zu abstrakt, um zu begreifen, dass hinter jeder Zahl ein Mensch stecke, sagte sie im Deutschlandfunk. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx erklärte, dass häufig erst an einer persönlichen Lebensgeschichte oder einem Todesfall im eigenen Umfeld erfahrbar werde, „dass es hier wirklich um Leben und Tod geht, um persönliche Schicksale, um Hoffen und Bangen, Sehnsucht und Angst“.
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier will das ändern. „Der Tod ist keine statistische Größe, sondern tragische Realität“, sagte er am Samstag im Interview der „Rheinischen Post“. Steinmeier kündigte für den 18. April eine zentrale bundesweite Gedenkfeier für die Toten der Corona-Pandemie an. Neben Hinterbliebenen soll die gesamte Staatsspitze teilnehmen. „Wegen Corona kann leider nur eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern dabei sein, und viele Planungen bleiben unsicher. Aber das Ziel der Gedenkfeier ist klar: als Gesellschaft innehalten, den Hinterbliebenen eine Stimme geben, in Würde Abschied nehmen von den Toten“, sagte er.
Viele kleine Initiativen, um der Corona-Toten zu gedenken
Bislang gibt es in Deutschland viele kleine Initiativen, um der Corona-Toten zu gedenken. Der „Tagesspiegel“ sammelt Porträts Verstorbener auf einer eigenen Online-Gedenkseite. Vor dem Wiener Stephansdom erinnerte zum Jahreswechsel ein Kerzenmeer an die Toten, im Münster von Schwäbisch Gmünd sind es Tausende Nägel, in Holz geschlagen.
Steinmeier berichtete, ihn erreichten viele Briefe zu diesem Thema. „Ich habe den Eindruck, dass hier etwas fehlt: ein Zeichen der Anteilnahme der ganzen Gesellschaft in einer Katastrophe, die uns alle betrifft. Die Pandemie habe die lange verdrängte Verletzlichkeit von einzelnen Menschen, aber auch der gesamten Gesellschaft, in Erinnerung gerufen. Welche Form die Trauerfeier haben und wo sie stattfinden soll, war am Samstag nicht zu erfahren.
Steinmeier: „Wir brauchen eine angemessene Form des öffentlichen Gedenkens“
Bereits im September hatte der Bundespräsident eine Trauerfeier für die Corona-Toten angeregt. Am 22. Januar rief er zur Aktion #lichtfenster auf und ermunterte die Bürger, abends gut sichtbar ein Licht in die Fenster von Wohnungen und Häusern zu stellen. „Über dieses stille Symbol hinaus brauchen wir eine angemessene Form des öffentlichen Gedenkens“, sagte Steinmeier.
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte bereits im November einen nationalen Gedenktag für die Corona-Opfer vorgeschlagen – als Zeichen des Gedenkens, aber auch der Zuversicht, „dass wir die Pandemie und andere Krisen mit vereinten Kräften überwinden können“, so der Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing.
Trauerfeiern in Italien und den USA
Amerikaner und Italiener haben es vorgemacht, dass solche Trauerfeiern Gesellschaften zusammenführen können. Im Juli feierte der Bischof von Bergamo, Francesco Beschi, eine Bergmesse für die Corona-Opfer. Die norditalienische Provinz hatte im Frühjahr einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Corona-Toten verzeichnet. Durch den „immensen Schmerz“ jener Menschen, die verstorbene Angehörige nicht bestatten konnten, sei deutlich geworden, wie wichtig „Momente menschlicher und christlicher Pietät“ seien, sagte Beschi.
Und am Abend vor ihrer Amtseinführung erinnerten der neue US-Präsident Joe Biden und seine Stellvertreterin Kamala Harris vor dem Lincoln Memorial in Washington mit 400 Kerzen an die Opfer – genau an dem Tag, an dem die Schwelle von 400.000 Corona-Toten überschritten wurde.