Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhofft sich vom Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) ein Signal der Ermutigung und des Aufbruchs in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft.
Frankfurt – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhofft sich vom Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) ein Signal der Ermutigung und des Aufbruchs in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft. „Wir brauchen die Kirchen, wir brauchen engagierte Christinnen und Christen, gerade in dieser Zeit“, sagte er am Freitagabend in seiner Videobotschaft zum Festakt des bundesweiten Christentreffens in Frankfurt.
Christen könnten eine wichtige Rolle spielen, um den zunehmenden Spaltungstendenzen in der Gesellschaft zu begegnen, die sich angesichts der Corona-Pandemie, im Kampf gegen den Klimawandel oder bei Fragen der Zuwanderung zeigten, sagte der Bundespräsident. „Ich sehe mit Sorge, dass die Auseinandersetzungen in unserem Land mit immer größerer Erbitterung geführt werden.“ Christen könnten zeigen, dass „geduldiges Zuhören, vernünftiges Argumentieren, gemeinsame Wahrheitssuche möglich sind, ja wichtiger denn je sind“.
Christen könnten auch Brücken bauen zu anderen Glaubensgemeinschaften und Menschen ohne Religion. Im Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel und für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen könnten sie einen wichtigen Beitrag leisten. „Ich freue mich, dass viele junge Menschen das zu ihrem Lebensthema gemacht haben. Dass sie, aber nicht nur sie, bereit sind, Verzicht zu leisten und liebgewordene Gewohnheiten aufzugeben.“
Zugleich müsse die Gesellschaft aufpassen, dass hier nicht eine neue Spaltung entstehe, zwischen Stadt und Land, Alt und Jung, mahnte das Staatsoberhaupt. Auf dem Weg in eine nachhaltige Gesellschaft seien Verteilungskonflikte nicht zu vermeiden. Dabei dürfe jedoch die gesellschaftliche Solidarität nicht auf der Strecke bleiben.
Steinmeier verwies auf die Bedeutung der christlichen Friedensbotschaft in einer Zeit, in der die Spannungen zwischen den großen Mächten wüchsen und sich der Kampf um knappe Ressourcen verschärfe. Der Bundespräsident sprach den Christen auch eine bremsende Funktion in einer Gesellschaft zu, „die von Selbstermächtigung und Selbstoptimierung geprägt ist“. Sie müssten daran erinnern, dass das menschliche Leben unverfügbar sei, „dass Krankheit und Tod dazu gehören und unsere Gesellschaft Schaden nimmt, wenn wir sie an den Rand zu drängen versuchen“.
Steinmeier nannte auch Probleme der Kirchen beim Namen. Die Spaltung in Konfessionen werfe einen dunklen Schatten auf die christliche Friedensbotschaft. Die Trennung werde „angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen immer weniger verstanden“. Mit Blick auf den Missbrauchsskandal in beiden Kirchen kritisierte er eine „quälend langsame Aufdeckung und Aufarbeitung abscheulicher Verbrechen an den Schwächsten unter uns, an Kindern und Jugendlichen. Verbrechen, die in den Kirchen lange Zeit vergessen oder verschwiegen wurden.“ Die Kirchen müssten sich deshalb selbstkritisch fragen, wo sie selber zum Prozess der Entfremdung von ihnen und zur Säkularisierung beitrügen.