Jesuit Mertes sieht Probleme bei kirchlichen Betroffenenbeiräten

Für den Jesuiten Klaus Mertes zeigen die Konfrontationen zwischen Missbrauchs-Betroffenen und den Kirchen, dass die Strukturen zur Missbrauchsaufarbeitung im kirchlichen Raum nicht ausreichen.
Für den Jesuiten Klaus Mertes zeigen die Konfrontationen zwischen Missbrauchs-Betroffenen und den Kirchen, dass die Strukturen zur Missbrauchsaufarbeitung im kirchlichen Raum nicht ausreichen. "Es mehren sich die Zeichen, dass die mangelnde Rollenklärung beim Beteiligungskonzept, wie es zwischen dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vereinbart worden ist, die Konfrontation verschärft und zu neuerlichen Verletzungen auf mehreren Seiten führt", schreibt Mertes auf der Internetseite "feinschwarz.net" (Dienstag).

Klaus Mertes –Foto: Spernol

Für den Jesuiten Klaus Mertes zeigen die Konfrontationen zwischen Missbrauchs-Betroffenen und den Kirchen, dass die Strukturen zur Missbrauchsaufarbeitung im kirchlichen Raum nicht ausreichen. „Es mehren sich die Zeichen, dass die mangelnde Rollenklärung beim Beteiligungskonzept, wie es zwischen dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vereinbart worden ist, die Konfrontation verschärft und zu neuerlichen Verletzungen auf mehreren Seiten führt“, schreibt Mertes auf der Internetseite feinschwarz (Dienstag).

Werden Betroffene instrumentalisiert?

Der Jesuit bezog sich auf die Kritik an Äußerungen des Missbrauchsbeauftragten Bischof Stephan Ackermann beim Ökumenischen Kirchentag sowie auf die Aussetzung des Betroffenenbeirats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ackermann hatte gesagt, bei der Zusammenarbeit zwischen Kirchenführung und Betroffenenbeiräten sei es nicht hilfreich, wenn ein Beirat „mehrheitlich durch Aktivisten besetzt wäre“, die ihre Rolle darin sähen, „immer nur im klaren Gegenüber zur Kirche“ zu bleiben und politisch-öffentlich „den Finger in die Wunde zu legen“.

Die EKD-Entscheidung zum Aus des Betroffenenbeirats war von Betroffenen scharf als erneuter Machtmissbrauch verurteilt worden. Mertes sprach sich für eine vollständig unabhängige, ohne kirchliche Beteiligung eingerichtete Aufarbeitungskommission aus. Parallel dazu müssten Betroffene dabei unterstützt werden, sich selbst zu organisieren, um so den Kirchen und der unabhängigen Aufarbeitungskommission „gegenüberzutreten“.

Problematisches Konzept

Das Konzept der Betroffenenbeiräte, die derzeit in vielen Bistümern eingerichtet werden und die Kirche bei der Aufarbeitung unterstützen sollen, bezeichnet Mertes als problematisch. Es bestehe die Gefahr, dass Betroffene letztlich wieder instrumentalisiert würden. Zudem entstünden neue Konflikte zwischen den Betroffenen selbst.

Grundlage der Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche ist eine Vereinbarung zwischen Bischöfen und UBSKM. Diese sieht unabhängige Aufarbeitungskommissionen und Betroffenenbeiräte vor.

Kritik vom Verein „Missbrauchsopfer im Bistum Trier“

Der Verein „Missbrauchsopfer im Bistum Trier“ (Missbit) erklärte am Montag, Ackermann sei „für seine Aufgabe nicht geeignet, weder für die Aufarbeitung des Machtmissbrauchs in der Kirche noch für das Amt eines Bischofs“. Seine Aussagen zum Verhalten von Betroffenen bei der Aufarbeitung zeugten von einer „Arroganz der Macht, die nicht fähig ist zur Empathie und zum Umdenken“, so Missbit-Vorstandsmitglied Jutta Lehnert.

Sie warf Ackermann vor, „die Missbrauchten für seine Interessen zu missbrauchen. Das ist schäbig.“ Seine Aussagen seien „entlarvend“. Der Bischof wolle offenbar Betroffenenbeiräte, die in erster Linie die Kirche und nicht die Wahrheit retten sollten.

Beim Ökumenischen Kirchentag hatte Ackermann am Samstag gesagt, bei der Zusammenarbeit zwischen Kirchenführung und Betroffenenbeiräten sei es nicht hilfreich, wenn ein Beirat „mehrheitlich durch Aktivisten besetzt wäre“, die ihre Rolle darin sähen, „immer nur im klaren Gegenüber zur Kirche“ zu bleiben und politisch-öffentlich „den Finger in die Wunde zu legen“. Wer Bereitschaft bekunde, in einem Betroffenenbeirat mitzuwirken, dem müsse klar sein, „was das Mandat eines solchen Beirats“ sei.

„Verräterische“ Wortwahl

Am Montag kritisierte auch der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller Ackermanns Worte. Im Deutschlandfunk sagte er, trotz des nachträglich geäußerten Bedauerns werde „die Geisteshaltung deutlich, dass gerade die sich gut organisierenden Missbrauchsopfer ihn stören.“ Der Bischof wolle offenbar „keine störenden Missbrauchsopfer, die nerven, die quälen, die unangenehme Rückfragen stellen, die auch finanzielle Forderungen stellen. Sondern man wünscht handzahme, taugliche Leute, die das Interesse der Kirche mittragen.“

Das Wort von den „Aktivisten“ sei „verräterisch“ und habe Ackermann „eigentlich für den Job als Beauftragter der Bischofskonferenz komplett disqualifiziert“, ergänzte Schüller. Ackermann (58) ist seit 2009 Bischof von Trier und seit 2010 Ansprechpaertner der Deutschen Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich. An der Entwicklung von kirchlichen Leitlinien für Prävention, Aufarbeitung und Entschädigung in den deutschen Bistümern ist er seither federführend beteiligt.

kna