Papst Franziskus und die deutschen Bischöfe haben am Pfingstfest zu Zusammenhalt und Solidarität aufgerufen.
Vatikanstadt/Bonn – Papst Franziskus und die deutschen Bischöfe haben am Pfingstfest zu Zusammenhalt und Solidarität aufgerufen. Der Papst mahnte zu kirchlicher Einheit und konkreter Barmherzigkeit. Es sei an der Zeit, den Trost des Heiligen Geistes weiterzugeben und einander beizustehen, sagte Franziskus in seiner Predigt am Sonntagmorgen im Petersdom. Dies schaffe man „nicht mit großen Reden, sondern indem wir zu Nächsten werden; nicht mit Floskeln, sondern durch Gebet und Nähe“.
Erneut sprach sich Franziskus gegen Spaltungstendenzen innerhalb der katholischen Kirche aus: Es gehe nicht um Konservative und Progressive, Traditionalisten oder Erneuerer, rechts oder links. Wenn dies die entscheidenden Kriterien seien, gehe der „Geist der Kirche“ verloren. „Sagen wir Nein zu den Ideologien“, so der 84-Jährige. Das Ziel müsse eine „Harmonie in Verschiedenheit“ sein. – Pfingsten ist für Christen das Fest des Heiligen Geistes und gilt als Geburtsfest der Kirche. Damit endet die 50-tägige Osterzeit.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ermutigte zur Hoffnung auf die Impfstrategie. Momentan hätten viele Menschen das Gefühl, dass ihnen „die Puste“ ausgehe, sagte Bätzing im Limburger Dom. Die Arbeit im Homeoffice führe zu Überlastung oder Vereinsamung; Kontaktbeschränkungen, Unterrichtsausfälle und Öffnungsverbote hinterließen Spuren. „Existenznöte und tiefgreifende Sorgen schnüren vielen Menschen die Luft ab“, so der Limburger Bischof. Anderen fehle schlicht der Ausgleich zum Alltagsstress.
Insofern sei die Pandemie eine „Atemstörung“, nicht nur in medizinischer Hinsicht. Wenn der Atem stocke, sei dies auch ein Anlass, „uns dieser selbstverständlichsten Grundlage unseres Lebens einmal bewusst zu werden, darüber nachzudenken und dafür zu danken“, sagte Bätzing.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte, die Pandemie habe der Gesellschaft ihre Grenzen aufgezeigt. Die Erfahrung habe das Lebensgefühl der Menschen erschüttert und ihr Weltverständnis infrage gestellt, sagte er in Hannover. „Für mich ist der Pfingstgeist in diesem Jahr kein Geist enthusiastischer religiöser Erfahrungen, sondern ein Geist der Nachdenklichkeit, ein Geist des Trostes und auch ein Geist der Zuversicht“, so der bayerische Landesbischof. Eine neue Nachdenklichkeit könne der erste Schritt sein „zu einem guten Leben in den Grenzen, die Gott uns aus Liebe gegeben hat“.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick beklagte unterdessen, es fehle ein moralischer Kompass in der Pandemie. Als Beispiele verwies er auf Impfdrängler und Maskenaffäre. Auch bei der Verteilung der Impfstoffe weltweit dürften die reichen Länder nicht zu kollektiven Impfdränglern werden und die armen Länder abhängen. Der Heilige Geist erinnere an diese Richtschnur, die in dieser Zeit so sehr vermisst werde.
Die baden-württembergischen Bischöfe riefen „nach 16 Monaten Unsicherheit und Angst“ gemeinsam dazu auf, „die neue Gegenwart zu gestalten“. Es gelte, Leid, Trauer und Angst zu verarbeiten und Gutes entstehen zu lassen, so die beiden evangelischen Landesbischöfe Frank Otfried July aus Württemberg und Jochen Cornelius-Bundschuh aus Baden sowie der katholische Erzbischof Stephan Burger aus Freiburg und Bischof Gebhard Fürst aus Württemberg in einem Wort zu Pfingsten. Das Fest gebe Grund zur Hoffnung, dass Gott einen neuen Aufbruch schenke, so die Bischöfe.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch mahnte einen nachhaltigen Lebensstil an. „Wenn wir die Schöpfung nicht achten, nicht auf ihre Stimme hören, hören wir nicht auf die Stimme Gottes, davon bin ich überzeugt“, schreibt er in der „Welt am Sonntag“. Dazu gehöre es, den Lebensstil anzupassen, „damit der Mensch wieder im Einklang mit der Schöpfung und mit sich selbst lebt“.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki warb für eine neue Sprache im Miteinander, „durch die wir einander wirklich hören und verstehen“. Gegenseitige Verachtung müsse überwunden werden, sagte er dem Kölner Portal domradio.de. „Das ist nur möglich, wenn wir uns durch den Heiligen Geist, den Geist der Liebe und Versöhnung erneuern lassen.“ Er habe den Eindruck, dass die Gesellschaft immer mehr auseinanderdrifte, so Woelki. Durch Hasstiraden entstünden „fast schon eigene Kulturen, die sich in ihrer Bubble abschotten und unter dem Radar der gesellschaftlichen Gemeinschaft fliegen“.
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte, die Kirche sei kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug zur Verkündigung des Evangeliums. Dazu müsse sie eine lernende Institution sein. „Sie lernt natürlich aus der Tradition, aus dem Zeugnis der ganzen Geschichte der Getauften, aber sie lernt auch aus der Welt, sie lernt Neues, findet Neues und muss sich neu auf den Weg machen.“ Dies sei es, was Papst Franziskus mit synodaler Kirche meine.
Der Würzburger Bischof Franz Jung rief die Gläubigen dazu auf, immer wieder mutig Grenzen zu überschreiten. So sei es eine der wichtigsten Entscheidungen des frühen Christentums gewesen, das Evangelium nicht nur Juden zu verkünden, sondern allen Menschen auf der Erde.
Der Augsburger Bischof Bertram Meier bezeichnete Pfingsten als „das Fest ungeahnter Möglichkeiten“. Für die Zukunft der Kirche würden Frauen und Männer mit Visionen gebraucht. Eine synodale Kirche sei etwas Geistliches: „Sie hört gut zu, wägt besonnen ab und unterscheidet die Geister, bis die Entscheidung reif ist.“ Wichtig sei dabei die Offenheit für Neues.
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer spendete 14 Jugendlichen das Sakrament der Firmung. Der Heilige Geist sei ein geistiges Rückgrat, um gegen alle Hindernisse im Leben zu bestehen und mutig Zeugnis zu geben von der Auferstehung und der Liebe des Herrn, sagte er.
Der Passauer Bischof Stefan Oster machte sich in seiner Pfingstpredigt Gedanken zu Einheit und Vielfalt in der Kirche. Der Heilige Geist löse diesen vermeintlichen Widerspruch auf. Er sei „die Liebe, die aus Gott kommt.“
Der Esser Bischof Franz-Josef Overbeck sieht inn der unzertrennlichen Verbindung zwischen kontemplativem Leben und politischer Wachsamkeit ein wichtiges Erkennungszeichen authentischer Christen. Zwar gehe ein bestimmter Typ des Christseins derzeit dem Ende zu. Zugleich seien die Zeitgenossen aber aktiv beteiligt an einer gerade entstehenden, ganz neuen Freiheitserfahrung in der Kirche – deshalb gebe es keinen Grund für Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, sagte Overbeck am Pfingstsonntag, 23. Mai, im Essener Dom.
„Wir werden uns heute mit Demut und Bescheidenheit bewusst, dass wir Kirche auf dem Weg sind, hinein in einen abwägenden und offenen Glauben, der ökumenisch ist, der im Dialog stehen muss mit der Philosophie, der Wissenschaft und den Künsten, mit den Herausforderungen der Politik, aber auch mit der Wirtschaft und ganz neuen Erkenntnissen in den Humanwissenschaften“, sagte Overbeck
Beides sei nötig: Einerseits die gesellschaftliche Offenheit in einer Welt voller Paradoxien und Überraschungen, in der es keine einfachen Schwarz-Weiß-Antworten gebe. Andererseits das spirituelle Gespür für die Geheimnisse des Lebens und des Glaubens: „Gerade wo Menschen in unserer Welt, ermüdet von der hektischen Zivilisation, nach Orientierung suchen, können wir zum Innehalten einladen.“