Kardinal Pell sieht keinen Anlass zu Reformen

Der kirchliche Missbrauchsskandal muss nach Ansicht des australischen Kardinals George Pell zwar aufgearbeitet werden, sei aber kein Anlass, wesentliche Lehraussagen der katholischen Kirche aufzugeben.
Rom – Der kirchliche Missbrauchsskandal muss nach Ansicht des australischen Kardinals George Pell zwar aufgearbeitet werden, sei aber kein Anlass, wesentliche Lehraussagen der katholischen Kirche aufzugeben. Es sei "eine totale Fehlinterpretation zu meinen, diese furchtbare Krise verlange ein völliges Umdenken bei unseren Strukturen oder der Art, wie wir leben", sagte Pell im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er bezog sich auf Reformdebatten wie beim Synodalen Weg in Deutschland oder in Australien.

Kardinal George Pell. Foto: Gavin Scott/wikipedia

Der kirchliche Missbrauchsskandal muss nach Ansicht des australischen Kardinals George Pell zwar aufgearbeitet werden, sei aber kein Anlass, wesentliche Lehraussagen der katholischen Kirche aufzugeben. Es sei “eine totale Fehlinterpretation zu meinen, diese furchtbare Krise verlange ein völliges Umdenken bei unseren Strukturen oder der Art, wie wir leben”, sagte Pell im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er bezog sich auf Reformdebatten wie beim Synodalen Weg in Deutschland oder in Australien.

“Wir brauchen keine weitere protestantische Kirche; liberale Protestanten verlieren noch viel schneller und mehr Mitglieder als wir”, sagte der frühere Kurienkardinal. Eine entscheidende Frage, der sich Katholiken in Australien wie in Deutschland stellen müssten, laute: “Sind wir Diener und Verteidiger der apostolischen Tradition, des Glaubens, der Offenbarung – oder deren Herren, so dass wir sie grundlegend ändern könnten?”

Pell: „Die Kinder liberaler Christen werden Agnostiker“

Menschen in der Kirche hätten nicht gesündigt oder große Fehler begangen, indem sie kirchlicher Lehre folgten, betonte Pell. “Jemand, der sich an die Lehre hält, begeht keinen Missbrauch.” Auf den Vorwurf, die Kirche sei nicht glaubwürdig, solange sie Frauen nicht völlig gleichberechtigt behandele oder homosexuelle Partnerschaften nicht segnen wolle, antwortete er: “Das tut mir leid, aber es ist nicht meine Lehre; ich folge Jesus Christus. Was er lehrte, hat 2.000 Jahre überdauert; heute hat er 1,3 Milliarden katholische Anhänger.”

Der christliche Glaube funktioniere, wenn er für das stehe, was Jesus Christus gelehrt habe, so Pell. Das zeige sich auch soziologisch: “Religiöse Gruppen, die eine feste, klare Lehre haben, überleben besser als liberale. Die Kinder liberaler Christen werden Agnostiker.”

Ungenügende Beweisführung

Im Dezember 2018 war der frühere Kurienkardinal von einem Gericht in Melbourne zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, weil er Ende 1996 nach einer Messe in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne zwei Chorknaben missbraucht haben sollte. Das Urteil wurde wegen ungenügender Beweislage letztinstanzlich aufgehoben. Im Bericht der Royal Commission Australiens vom Mai 2020 kommt Pell dennoch nicht ganz unbescholten davon. Als Bischofsvikar in Ballarat soll er Anfang der 70er Jahre wie andere gewusst haben, dass ein notorischer Missbrauchstäter wiederholt versetzt statt angezeigt worden war.

Als Pell im Juni 2017 aus Rom abreisen musste, um sich in seiner Heimat vor Gericht zu verantworten, lag eine längere Auseinandersetzung an der Kurie hinter ihm. Papst Franziskus hatte den hochgewachsenen Australier zum Leiter des 2014 neu geschaffenen Wirtschaftssekretariates gemacht. Damit sollte Pell die Geldtöpfe und -ströme in der Kurie bündeln, strukturieren und kontrollieren. In der traditionell italienisch geprägten Kurie kam Pells direkte und mitunter ruppig empfundene Art nicht gut an. Pell wird am 8. Juni 80 Jahre alt.

kna

Gefängnistagebuch von Kardinal Pell erschienen