Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein fordert anlässlich einer neuen Studie zu antisemitischen Vorfällen bei Corona-Demonstrationen mehr Möglichkeiten für Kommunen, gegen Relativierungen des Holocaust vorzugehen.
Berlin –Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein fordert anlässlich einer neuen Studie zu antisemitischen Vorfällen bei Corona-Demonstrationen mehr Möglichkeiten für Kommunen, gegen Relativierungen des Holocaust vorzugehen. „Denn hier werden häufig antisemitische Stereotype und Ressentiments offen gezeigt, indem die staatlichen Maßnahmen mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus gleichgesetzt werden“, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag). Zugleich würden oftmals „krude Verschwörungsmythen“ verbreitet, die sich oft gegen Jüdinnen und Juden richteten. Das spalte die Gesellschaft und gefährde die Demokratie.
Der Antisemitismusbeauftragte sei daher mit Kommunen im Gespräch, damit dort eine bessere Handhabe durch bestimmte Auflagen geschaffen werde, um etwa gegen das Tragen von Judensternen mit der Aufschrift „ungeimpft“ auf Corona-Demonstrationen vorzugehen. Die Ergebnisse der Untersuchung „Antisemitische Verschwörungsmythen in Zeiten der Coronapandemie: Das Beispiel QAnon“, die der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) im Auftrag des American Jewish Committee Berlin Ramer Institute erstellt habe, zeigten einmal mehr, „welche gesellschaftliche Sprengkraft in Teilen von den Protesten gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ausgeht“, sagte Felix Klein.
Studie: Antisemitische Angriffe bei Corona-Demonstrationen
Laut einer Studie erleben seit dem Beginn der Corona-Pandemie antisemitische Verschwörungsmythen eine starke Konjunktur. Juden würden verantwortlich gemacht für die Pandemie oder auch für staatliche Eindämmungsmaßnahmen, berichtete die „Welt am Sonntag“ über das Ergebnis einer Analyse des Bundesverbands Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) im Auftrag des American Jewish Committee Berlin Ramer Institut.
Demnach wurden im Zeitraum vom 17. März 2020 bis 17. März 2021 insgesamt 561 antisemitische Vorfälle mit Bezug zur Corona-Pandemie gemeldet. Fast 60 Prozent davon ereigneten sich bei Versammlungen und Demonstrationen. Juden und Jüdinnen schilderten jedoch auch Alltagssituationen, in denen sie beispielsweise im Supermarkt von Fremden beschimpft wurden – und beschuldigt, das Virus in die Welt gesetzt zu haben.
„Die Proteste am ersten Augustwochenende zeigen, dass es eine Kontinuität hinsichtlich antisemitischer Äußerungen bei Versammlungen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie gibt“, sagte Daniel Poensgen von Rias der Zeitung. Man habe es hier mit einem verschwörungsideologischen und rechtsextremen Spektrum zu tun, das auch mit Ende der Corona-Pandemie nicht einfach verschwinden werde.
Felix Klein nennt „Querdenken“-Bewegung „hochgefährlich“
Nach Einschätzung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, ist die „Querdenken“-Bewegung „hochgefährlich“. Er begrüße es, dass der Verfassungsschutz diese Gruppen in den Blick nehme, sagte Klein der „Jüdischen Allgemeinen“ (Donnerstag). Diese Bewegung dürfe man nicht „lapidar abtun“. Klein betonte: „Die Verschwörungsmythen, die dort gebildet werden, zielen auf eine Spaltung der Gesellschaft, und das ist staatsfeindlich. Sie ziehen die Grundlagen unserer Gesellschaft und die Erinnerungskultur, die eine Säule unserer Demokratie ist, in Zweifel.“
Menschen, die in der Mitte der Gesellschaft verortet würden, ließen es zumindest zu, dass „extremistische und demokratiegefährdende Parolen“ verbreitet würden, sagte Klein. Er äußerte sich auch vor dem Hintergrund von jüngsten „Querdenker“-Protesten in Berlin. Am Mittwoch hatte der Beauftragte gesagt, dass Antisemitismus und Rechtsextremismus auch den ideologischen Kitt bildeten, der die verschiedenen Gruppen auf „Querdenker“-Demonstrationen zusammenhalte. Judenhass und Rassismus gebe es nicht nur in herkömmlichen Szenen.
Am Mittwoch hatte die Bundesregierung mitgeteilt, dass sie Forschungen zu Antisemitismus und Rassismus in den kommenden Jahren mit rund 35 Millionen Euro unterstützt. Zu diesem Anlass hatte auch der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, den Antisemitismus unter „Querdenkern“ und Corona-Leugnern als „das verbindende Element der unterschiedlichen Gruppen“ aus Rechtsextremisten, Impfgegnern oder Esoterikern bezeichnet.