Die Ungeduld am Rhein nimmt zu. Prüfer haben ihren Bericht in Rom abgegeben. Papst will sich nicht drängen lassen. Bis zu einer Entscheidung kann noch einige Zeit vergehen.
Vatikanstadt/Köln – Die Ungeduld am Rhein nimmt zu. Prüfer haben ihren Bericht in Rom abgegeben. Papst will sich nicht drängen lassen. Bis zu einer Entscheidung kann noch einige Zeit vergehen.
Nein, der Vatikan lässt sich in der Causa Köln nicht in die Karten schauen. Nachfragen zum Stand der von Papst Franziskus angeordneten Apostolischen Visitation in dem rheinischen Erzbistum bleiben unbeantwortet. Fest steht seit Montag nur: Der Prüfbericht ist fertig, Rom ist am Zug. Zu einer überhasteten Entscheidung wird man sich allerdings – trotz des medialen Drucks aus Deutschland – nicht drängen lassen. Die Mühlen der römischen Kurie mahlen traditionell in ihrem ganz eigenen Tempo.
Auch in Sachen Kommunikation herrscht demonstrative Zurückhaltung: Ob sich nun Franziskus persönlich oder zunächst die Bischofskongregation mit dem Köln-Bericht befasst, bleibt offen. Unterdessen nimmt die Ungeduld am Rhein Tag für Tag zu. Die Gläubigen erwarten eine rasche Lösung für die verfahrene Situation. Viele glauben offenbar, die Brüche zwischen Bistumsleitung und Basis seien mit dem aktuellen Personal nicht mehr zu kitten.
Köln: Rom ist am Zug
„Mit der Fertigstellung des Berichts geht die apostolische Visitation ihren ordnungsgemäßen Gang“, erklärte der Mediendirektor des Kölner Erzbistums, Christoph Hardt, am Montag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zuvor hatte eine Sprecherin des Rotterdamer Bischofs Hans van den Hende der KNA bestätigt, dass dieser – gemeinsam mit dem zweiten Visitator – sein „Votum“ abgegeben habe. Für alle weiteren Schritte sei Rom zuständig. Dem Vernehmen nach liegt das Fazit der Prüfer dort schon eine ganze Weile vor.
Der Papst hatte van den Hende und den Stockholmer Kardinal Anders Arborelius im Juni in die Domstadt geschickt. Hintergrund ist die umstrittene Missbrauchsaufarbeitung, die zu einer veritablen Vertrauenskrise in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese führte. Vor Ort verschafften sich die beiden Visitatoren rund eine Woche lang ein Bild von der „komplexen pastoralen Situation“ und führten dazu zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Beteiligten.
Der Papst muss entscheiden
Experten zufolge dürften sie in ihrem Schlusspapier mögliche Missstände dokumentieren und auch Handlungsempfehlungen abgeben. Der Papst muss aber letztlich entscheiden, wie er reagiert und wann. Er verfügt dabei über eine ganze Palette verschiedener Optionen. Das Spektrum reicht von keinerlei Maßnahmen bis hin zu mehreren Rücktritten maßgeblicher Verantwortlicher.
Konkret geht es um den Hamburger Erzbischof Stefan Heße sowie den Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp. Die beiden ehemaligen Generalvikare in Köln hatten nach der Vorstellung eines Missbrauchsgutachtens ihre Rücktritte angeboten. Die Untersuchung von Strafrechtler Björn Gercke weist Heße mindestens elf und Schwaderlapp mindestens acht Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen nach. Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff, dem eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird, lässt seine Ämter ruhen.
Im Fokus der öffentlichen Empörung steht aber vor allem Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki. Er wird durch das Gercke-Gutachten zwar entlastet, Kritiker werfen ihm jedoch moralisches Fehlverhalten vor und fordern seinen Rücktritt. Für Irritationen sorgte unter anderem, dass er eine erste Untersuchung – anders als vorgesehen – nicht veröffentlichten ließ.
Franziskus obliegt es also nicht zuletzt, auch über das weitere Schicksal von Kardinal Woelki zu entscheiden. Wie eine gesichtswahrende Lösung aussehen könnte, die noch dazu das Erzbistum in ruhigere Fahrwasser führt, ist derzeit völlig unklar.
Beobachter in der Ewigen Stadt gehen davon aus, dass der Entscheidungsprozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen werd. Das liegt zum einen an der Komplexität der Materie, zum anderen am Gesundheitszustand des Kirchenoberhaupts. Nach einer Darm-OP Anfang Juli hat sich der 84-Jährige inzwischen zwar weitgehend erholt. Seine Ärzte wollen dennoch kein Risiko eingehen und haben ihm Schonung auferlegt.
Ein weiterer Grund ist eher banal: In Rom ist Ferienzeit. Bei Temperaturen bis zu 37 Grad Celsius suchen viele Menschen das Weite, begeben sich an den Strand oder in kühlere Regionen. In diesen Augusttagen kommt quasi das gesamte administrative Leben zum Erliegen. Das wirkt sich freilich auf den Vatikan aus: Die meisten wichtigen Ansprechpartner sind momentan schlicht nicht erreichbar.
KNA