Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zieht eine bedrückende Bilanz des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan.
Augsburg – Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zieht eine bedrückende Bilanz des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. „Was im Moment in Afghanistan geschieht, ist ein Desaster“, sagt der CSU-Politiker im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag). „Das große Ziel war es, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu bringen. Heute muss man leider festhalten: Das ist gescheitert. Das trifft mich auch menschlich sehr.“
Trotzdem glaube er auch heute noch, dass die Entscheidung für den Einsatz im Jahr 2001 richtig war. „Es gibt in der Außenpolitik Entwicklungen, die scheitern – trotz bester Motivation“, sagte er. „Die Motivation für den Einsatz in Afghanistan war damals berechtigt. Hinzu kam die Bündnistreue gegenüber den Amerikanern nach dem 11. September 2001. Aber im Ergebnis ist der langfristige Einsatz nach 20 Jahren relativer Stabilität gescheitert. Das ist das Betrübliche.“
Kein erneutes militärisches Eingreifen
Ein erneutes militärisches Eingreifen am Hindukusch schließt der Minister aus. Jetzt schlage die Stunde der Außenpolitik, die auf europäischer Ebene abgestimmt werden müsse. „Leider ist die Europäische Kommission in dieser so entscheidenden Phase sehr zurückhaltend“, sagte Seehofer und übte damit deutliche Kritik an Brüssel.
Der Bundesinnenminister befürchtet, dass die Zahl der Geflüchteten deutlich ansteigen wird. „Man muss damit rechnen, dass sich Menschen in Bewegung setzen, auch in Richtung Europa“, sagte er. „Das ist keine Angstmache, sondern eine realistische Beschreibung der Situation.“ Dabei müsse man nicht nur den Krisenherd Afghanistan im Blick behalten, sondern genauso Belarus, Pakistan, den Iran, die Türkei, Tunesien, Marokko und Libyen. „Wir stehen vor schwierigen Entwicklungen“, erklärte Seehofer.
Berlin will Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen
Das Land Berlin ist zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan bereit. Gemeinsam mit anderen Bundesländern würde Berlin ein Kontingent von Flüchtlingen aufnehmen, „die sich in Afghanistan für den Aufbau der Demokratie eingesetzt haben“, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) dem „Tagesspiegel“ (Sonntags). „Wir brauchen dafür dringend Entscheidungen auf Bundesebene.“
Elke Breitenbach (Linke), Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, forderte im „Tagesspiegel“ ebenfalls eine „humanitäre Hilfsaktion, an der sich Berlin selbstverständlich beteiligen wird“. Auch die Grünen-Spitzenkandidatin in Berlin, Bettina Jarasch, sieht Deutschland und Berlin in der Verantwortung. „Berlin muss dem Bund ein Angebot machen, im Rahmen des deutschen Handelns ein Kontingent Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte Jarasch dem „Tagesspiegel“.