Hat Franziskus etwas gegen Kinderlose und Haustiere?

Die jüngsten Aussagen von Papst Franzikus zu kinderlosen Paaren und Haustieren haben in sozialen Medien für Empörung gesorgt. Doch worum ging es dem Kirchenoberhaupt?
Die jüngsten Aussagen von Papst Franzikus zu kinderlosen Paaren und Haustieren haben in sozialen Medien für Empörung gesorgt. Doch worum ging es dem Kirchenoberhaupt?

Papst Franziskus –Archivfoto: © Palinchak | Dreamstime.com

Anders als etwa in Deutschland oder Großbritannien haben die jüngsten Bemerkungen des Papstes über Paare, Kinder und Haustiere in Italien kaum für Aufregung gesorgt. Allenfalls zogen einzelne Medien wie „Il Messaggero“ Tage später nach und berichteten über Empörung und Kritik in den sozialen Medien andernorts. Der britische Vatikan-Korrespondent Christopher Lamb indes rückte am Freitag im Interview der BBC die jüngsten Papst-Aussagen zurecht.

Es sei Franziskus weniger um Haustiere als vielmehr um Prioritäten gegangen, so Lamb. Er „stellt einen Lebensstil des konsumorientierten Materialismus in Frage, der keinen Platz für die Opfer lässt, die die Erziehung von Kindern erfordert“, so der Journalist. Natürlich könne man fragen, „ob Kritik an jenen, die Haustiere haben, der beste Weg ist, um Materialismus zu thematisieren“. Aber der demografische Winter in westlichen Gesellschaften sei ein Thema, das den Papst aus Argentinien schon länger umtreibe.

So sprach Franziskus im Mai 2020 bei einem nationalen Kongress, der sich mit der niedrigen Geburtenrate in Italien ebenso befasste wie mit strukturellen Schwierigkeiten für Familien, Eltern und Kinder. Franziskus weiß um diese Probleme, benennt sie in Ansprachen immer wieder. Und neben etwa übertriebener Tierliebe erwähnte er am Mittwoch auch das Leid jener Paare, die keine Kinder bekommen können.

Italien hat seit langem die niedrigste Geburtenrate in der EU: 6,8 pro 1.000 Einwohner im Jahr 2020 (Deutschland 9,3, Österreich 9,4, Schweiz 9,9). Statt Kinderwagen und Buggys sieht man in Italiens Straßen, Bussen und Bars schon mal Paare, die Hunde, teils auch Katzen, in Taschen auf dem Rücken oder vor dem Bauch tragen. Buggys und Rollkoffer dienen dem Transport geliebter Vierbeiner ebenfalls. Vor diesem Hintergrund warf Franziskus die spontane Bemerkung ein: „Und viele Paare haben keine Kinder, weil sie keine wollen … Aber sie haben zwei Hunde, zwei Katzen … Ja, Hunde und Katzen ersetzen Kinder. Ja, das ist komisch, das verstehe ich, aber es ist die Realität.“

Einige der meist italienischen Zuhörer in der Audienzhalle lachten kurz mit. Sie hatten nicht nur jene Landsleute vor Augen, die ihre Kleinkinder mitunter kitschig herausputzen. Sondern auch jene, die das Gleiche mit ihrem Haustier tun. Wie gesagt, Franziskus sprach über Prioritäten, nicht gegen Tierliebe. Anfang Oktober etwa verlangten Italiens Bischöfe in ihrer Botschaft zum Tag des Franz von Assisi sehr wohl mehr Tierschutz und artgerechte Haltung – ob zu Hause oder in der Landwirtschaft. Sie erinnerten aber auch daran: Tiere sind keine Menschen. Den Unterschied gelte es doch bitte zu beachten. Das Thema der Papstansprache vom vergangenen Mittwoch war Josef als Ziehvater Jesu. Von daher kam Franziskus auf nicht-leibliche Vaterschaft zu sprechen. Zum Vater werde ein Mann nicht allein, weil er ein Kind zeuge, sondern indem er Verantwortung übernehme. Dies wiederum täten Adoptiveltern, aber auch geistliche oder pädagogische Mentoren.

Der Papst befürchtet, vielerorts komme der menschliche Aspekt von Mutter- und Vaterschaft überhaupt zu kurz. Und so fordert er auch Einsatzwillen, Verzicht und Opfer um des Gemeinwohls willen. Am Freitag wies er eine Gruppe französischer Unternehmer auf ihre Verantwortung für Angestellte und deren Familienleben hin. Aber auch von Paaren und Familien fordert er deren Beitrag zum Gemeinwohl der Gesellschaft. Es geht ihm – zumal angesichts von Überbevölkerung – nicht darum, dass Paare möglichst viele Kinder bekommen sollten. Das Klischee von Katholiken, „die sich wie Karnickel vermehren“, wies er schon vor Jahren klar zurück und forderte eine verantwortungsvolle Elternschaft.

Bei der Generalaudienz am Mittwoch sprach er nun von den vielen Kindern weltweit, die dringend verantwortungsvolle Erwachsene brauchen, die sich ihrer annehmen. Adoption sei „eine der höchsten Formen von Liebe“, auch weil sie riskant sei. Sein Appell für erleichterte Adoptionsverfahren hatte es angesichts teils fragwürdiger internationaler Vermittlungspraktiken durchaus in sich. Aber das stieß auf wenig Resonanz.

Von Roland Juchem (KNA)