Bätzing kritisiert Benedikt XVI.: Zeit der Wahrheit

Die katholische Kirche hat nach den Worten des Limburger Bischofs Georg Bätzing auch unter treuen Anhängern massiv an Vertrauen eingebüßt.
Trier/Würzburg/Osnabrück– Die katholische Kirche hat nach den Worten des Limburger Bischofs Georg Bätzing auch unter treuen Anhängern massiv an Vertrauen eingebüßt. Mit Blick auf das Münchner Missbrauchsgutachten sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Freitagabend vor den Teilnehmern eines Gottesdienstes in Trier: "Auf vielen von Ihnen lastet diese Situation ungeheuerlich." 

Bischof Georg Bätzing –Foto: Bistum Limburg

Die katholische Kirche hat nach den Worten des Limburger Bischofs Georg Bätzing auch unter treuen Anhängern massiv an Vertrauen eingebüßt. Mit Blick auf das Münchner Missbrauchsgutachten sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Freitagabend vor den Teilnehmern eines Gottesdienstes in Trier: “Auf vielen von Ihnen lastet diese Situation ungeheuerlich.”

Längst habe die Krise auch ihn erreicht, so Bätzing weiter. “Viele sagen mir: ‘Ich muss mich doch rechtfertigen in meiner Familie, in meinem Freundeskreis, in meinem Verwandtenkreis, dass ich noch zu diesem Verein gehöre.'” Angesichts dessen, was die Münchner Studie zutage gefördert habe müsse er eingestehen: “Manchmal schäme ich mich auch, dass wir eine solche Vergangenheit gehabt haben.”

Bätzing: „Desaströses Verhalten“

Das am Donnerstag vorgestellte Gutachten bescheinigt mehreren Münchner Erzbischöfen und weiteren Angehörigen der Bistumsleitung Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten. Die Studie erhebt in diesem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen den früheren Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger, der von 1977-1982 dem Erzbistum München-Freising vorstand. Bätzing sprach von einem “desaströsen Verhalten” und erwähnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch Benedikt XVI.

“Vertuscht, verdeckt wurde lange genug”, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende. “Jetzt ist die Zeit der Wahrheit.” Denn nur die Wahrheit werde Freiheit bringen, den Blick auf Jesus freigeben und möglicherweise auch neues Vertrauen für die Kirche schaffen. Den Teilnehmern des Gottesdienstes rief Bätzing zu: “Verlieren Sie nicht den Mut.”

Bischof Jung ist offen für staatliche Wahrheitskommissionen

Der Würzburger Bischof Franz Jung kann Forderungen nach staatlich eingesetzten Wahrheitskommissionen zur Missbrauchsaufarbeitung “viel abgewinnen”. Dies könne die trotz aller redlicher Bemühungen der Bistümer stets neu geäußerten Zweifel an der Unabhängigkeit der Aufarbeitung zerstreuen, sagte Jung der “Main-Post” (Samstag). Außerdem werde so die Verantwortung in die Hände des Staates und der jeweils geltenden Gesetzgebung gelegt. So könnte gezeigt werden, dass Kirche keine Sonderwelt sei.

Zuvor hatte Jung bereits als erster bayerischer Bischof nach Kardinal Reinhard Marx auf das am Donnerstag vorgestellte Missbrauchsgutachten reagiert. Im Fokus stünden nun die noch lebenden Verantwortungsträger. “An ihnen ist es, sich zu den dargestellten Vorgängen zu verhalten und sich ihrer damit einhergehenden persönlichen Verantwortung zu stellen.” Der Bischof erinnerte zuerst an das Leid der Betroffenen. “Hinter den Zeilen stecken Schicksale von Betroffenen, die für ihr Leben gezeichnet sind.”

In dem Gutachten werde das systemische Versagen von Kirche einmal mehr beschrieben, so Jung weiter. Es sei davon auszugehen, dass die geschilderten Sachverhalte sich in allen deutschen Diözesen bei der Aufarbeitung der Verbrechen sexuellen Missbrauchs in der einen oder anderen Weise wiederfinden würden. “Institutionen- und Täterschutz standen vor der Sorge um das Wohl der Betroffenen sexuellen Missbrauchs. Das ist die erschreckende Bilanz auch dieser Studie.” Zudem verwies der Bischof auf die Reformdebatte, den Synodalen Weg. Viele Hinweise zur Veränderung des Systems Kirche gerade im Hinblick auf Macht, kirchliche Sexuallehre und Schutz von vulnerablen Personen würden dort diskutiert.

Bischof Bode: Papst Benedikt XVI. muss sich zu Vorwürfen äußern

Nach der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München und Freising hat sich der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode erschüttert gezeigt. “Es trifft mich wirklich sehr, dass diese schweren Belastungen ausgesprochen werden”, sagte er am Freitag bei einem Pressegespräch in Osnabrück. Mit Blick auf die gegen den früheren Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger und späteren Papst Benedikt XVI. erhobenen Vorwürfe sagte Bode: “Ich denke, dass der emeritierte Papst Benedikt sich da noch mal zu äußern muss.” Auch die anderen noch lebenden Amtsträger, denen Fehler angelastet werden, wie etwa der Münchner Kardinal Reinhard Marx, müssten sich dazu verhalten.

In der Zeit, als Ratzinger Erzbischof von München gewesen sei, habe in der Kirche die Täter- und Institutionsperspektive im Vordergrund gestanden, so Bode. “Das weiß ich selber aus meiner langen Bischofszeit, und das wird hier noch mal in einer drastischen Weise deutlich.” Der Bischof erklärte: “Ich hoffe sehr, dass wir aus diesem Prozess noch mehr lernen, noch transparenter zu sein.” Mit dem laufenden Reformprozess Synodaler Weg gehe die katholische Kirche in Deutschland auch systemische Fragen an und sei damit auf dem richtigen Weg. Auch das Bistum Osnabrück werde bei seinem geplanten Zukunftsprozess im Blick behalten, “mit den Dingen so offen und so transparent wie möglich umzugehen”.

kna/rwm