Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva-Maria Welskop-Deffaa, hat sich für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts ausgesprochen.
Hildesheim – Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva-Maria Welskop-Deffaa, hat sich für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts ausgesprochen. Es stelle sich die Frage, ob der Ausschluss des Streikrechts im sogenannten Dritten Weg noch zeitgemäß sei, sagte sie am Samstag beim Neujahrsempfang des Diözesanrats der Katholik*innen im Bistum Hildesheim. Bei einer Weiterentwicklung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes gelte es, diese Frage in den Blick zu nehmen. Auch müsse es gelingen, „aus der Grundordnung mit ihrer Verbotssprache eine Grundordnung der Zusagen und Orientierungen zu machen“.
Der Dritte Weg bezeichnet das durch den Staat den Kirchen in Deutschland eingeräumte Recht, ein eigenes System des Arbeits- und Tarifrechts zu schaffen. Hintergrund ist die Auffassung, dass Arbeit im kirchlichen und karitativen Dienst eine religiöse Dimension hat. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Möglichkeiten von Streiks und Aussperrung gelten für die Kirchen nicht. Wesentliche Prinzipien des Dienst- und Arbeitsrechts in der katholischen Kirche sind in der von der katholischen Bischofskonferenz erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes geregelt.
„Der grundsätzliche Ausschluss des Streikrechts in der Grundordnung könnte die Frage aufwerfen, ob sich hier nicht der gleiche Geist ausdrückt, der auch die Missbrauchsfälle so bedrückend macht“, sagte Welskop-Deffaa. Die Missbrauchsskandale ließen das Bild einer Kirche aufscheinen, in der sich die Macht von Geistlichen und Arbeitgebern unglücklich vermische. Der Dritte Weg als Weg der gemeinsamen Suche nach Arbeitsbedingungen für den kirchlichen Dienst müsse dieses Bild korrigieren, forderte die Caritaspräsidentin. Auch könne sich die Kirche nach außen hin politisch nur für faire Arbeitsbedingungen einsetzen, wenn sie ihre eigene Arbeitswelt glaubwürdig gestalte.
Für Beibehaltung des Dritten Weges
Grundsätzlich sprach sich Welskop-Deffaa für eine Beibehaltung des Dritten Wegs aus: „Ich persönlich wünsche mir, dass der Dritte Weg als besonderer Weg der Gestaltung guter Arbeitsbedingungen im kirchlichen Dienst erhalten wird, dass wir ihn weiterentwickeln und dass wir für unsere kirchlichen Arbeitsbedingungen im fairen Miteinander von Dienstgebern und Dienstnehmerinnen vorleben, wie gute Arbeit 4.0 gestaltet werden kann.“
Mit Blick auf die Arbeitswirklichkeit vieler Menschen insgesamt sei von guten Bedingungen weit entfernt, sagte Caritaspräsidentin Eva-Maria Welskop-Deffaa bei der Veranstaltung am Samstag. So führe etwa eine geschlechterungerechte Verteilung von Pflege- und Betreuungstätigkeiten zu einer ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen. Auch fänden Migrantinnen und Migranten in Deutschland nur schwer offene Arbeitsbedingungen vor. Welskop-Deffaa forderte unter anderem „sorgsame Rhythmen von Arbeiten und Ruhe“. Es gelte, den Sonntag zu schützen, „um eine Kultur zu erhalten, die Leben und Arbeiten in eine nicht vereinnahmende Beziehung setzt“.
Kirchenvertreter fordern Einsatz für faire Arbeitsbedingungen
Auch andere Kirchenvertreter haben sich beim Neujahrsempfang des Diözesanrats der Katholik*innen im Bistum Hildesheim für faire Arbeitsbedingungen ausgesprochen. Der Vorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, Andreas Luttmer-Bensmann, mahnte, die Kirchen müssten sich stärker in die politische Debatte einmischen. Missstände etwa im Bereich der Fleischindustrie, bei Erntehelfern und in der Pflege müssten sie viel klarer anprangern. „Wir müssen deutlich machen, dass das eine Form von Arbeit ist, die wir nicht wollen.“ Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer bekräftigte: „Die Kirche sollte politischer werden.“ Er forderte mehr Chancengleichheit in der Ausbildung. „Hier haben wir einen hohen Nachholbedarf in der Bundesrepublik. Skandinavien ist da deutlich besser.“
VW-Personalmanager Thymian Bussemer sagte, er vermisse ein Engagement der Kirchen in Wirtschaftsunternehmen. So sei etwa die Stelle des 2019 aus dem Amt geschiedenen Kirchenbeauftragten bei VW bislang nicht nachbesetzt worden. Auch könne er im Wirken der Christlichen Gewerkschaft Metall keine Verbindung zur Botschaft der Kirchen erkennen. Es brauche neue Brücken und Dialoge, so der Bereichsleiter HR Strategie und Innovation des Volkswagen-Konzerns. Der Neujahrsempfang stand unter dem Motto „Leben um zu arbeiten oder arbeiten um zu leben? – Die Zukunft der Arbeit – human, gerecht, völlig verrückt?“. Wegen der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung digital statt.