Erstmals hat der seit 2019 laufende Synodale Weg zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland einen Reformtext verabschiedet.
Frankfurt – Erstmals hat der seit 2019 laufende Synodale Weg zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland einen Reformtext verabschiedet. Die in Frankfurt tagende Synodalversammlung votierte am Donnerstagabend mit breiter Mehrheit für ein 20-seitiges Grundsatzpapier. Es trägt den Titel „Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung“ und hält so die theologischen Fundamente für die weiteren Beschlüsse fest.
Deutliche Mehrheit für Grundsatzpapier
In Frankfurt votierten in Zweiter Lesung am Donnerstagabend von 213 Teilnehmenden 178 für das Grundsatzpapier, dessen Vorlage das Präsidium eingereicht hatte. Bei der Sonderabstimmung der anwesenden Bischöfe stimmten 41 dafür und 16 dagegen. Damit erhielt der Text die gemäß Satzung notwendige doppelte Zweidrittelmehrheit. Der 20-seitige Text trägt den Titel „Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung“ und skizziert die theologischen Grundlagen und Kriterien für die weiteren Beschlüsse. Wichtigste Quellen für Christen sind demnach die Bibel, die Tradition, das Lehramt, die Theologie sowie – das ist entscheidend und neu – die „Zeichen der Zeit und der Glaubenssinn des Volkes Gottes“.
In der Diskussion vor der Abstimmung ging es vor allem um die Einordnung und Bedeutung der „Zeichen der Zeit“. Der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff rief dazu auf, diese als „als Erkenntnisorte ernstzunehmen und anzuerkennen“. Essens Bischof Franz-Josef Overbeck erkennt ihn ihnen das Wirken des Heiligen Geistes. Die Religionspädagogik-Professorin und Vize-Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Agnes Wuckelt, verwies auf die im Zweiten Vatikanischen formulierte „Pflicht der Kirchen, nach den Zeichen der Zeit zu suchen“. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte: „Die Kirche ist lernend, aber es gibt keine Ausführungsbestimmungen dazu.“ Es gehe „nicht ohne einen neuen Schub“.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch begrüßte das Papier in diesen Grundzügen, merkte aber an, der Text sei „zu wenig von dem Aspekt der Hoffnung getragen“. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer nimmt dagegen in dem Papier eine „Kompetenzverschiebung vom ordentlichen Lehramt der Bischöfe zum Lehramt der Theologie“ wahr, der er nicht zustimmen könne. Ähnlich äußerte sich der Passauer Bischof Stefan Oster. Für eine erste Textvorlage waren im Herbst bei der Synodalversammlung über 200 Änderungsanträge eingegangen. Die zuständige Antragskommission empfahl damals unter anderem, den Text unter Beibehaltung des theologischen Niveaus hinsichtlich der Verständlichkeit zu überarbeiten und die Zielsetzung deutlicher zu fassen.
Präsidium des Synodalen Wegs erarbeitet Schuldbekenntnis
Begonnen hatte die Synodalversammlung mit einer gut einstündigen Aussprache über das Münchner Gutachten zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche und seiner Aufarbeitung. Dabei forderten viele Teilnehmer grundlegende und baldige Reformen in ihrer Kirche. Das Präsidium des Synodalen Wegs kündigte an, ein Schuldbekenntnis erarbeiten zu wollen. In dem Zusammenhang nannte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, das Münchner Gutachten ein „Beben“. Er fügte hinzu: „Es wird nicht das letzte gewesen sein – andere Diözesen werden folgen. Und jedes Mal werden wir wieder mit tiefen Abgründen konfrontiert, die mich mit Scham erfüllen.“
In der Auftakt-Pressekonferenz sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sie wolle Veränderungen sehen. Es gelte, Gerechtigkeit herzustellen: „für die Opfer sexueller Gewalt, für die vielen Betroffenen, für Kirchengemeinden, für Familien, für Menschen, deren Leben durch die Kirche nicht besser, sondern schlechter geworden ist“.
Die Synodalversammlung ist das oberste Gremium des Synodalen Wegs. Trotz hoher Corona-Inzidenzwerte reisten laut Angaben der Organisatoren 189 der 230 Synodalen nach Frankfurt; weitere 29 nahmen online an dem bis Samstag dauernden Treffen teil. Auf dem Tisch liegen insgesamt 13 Papiere zu den vier zentralen Themen – Sexualmoral, Rolle der Frauen, priesterliches Leben und Macht.
Offener Brief überreicht
Zu den Forderungen gehören etwa der Ruf nach Mitbestimmung der Laien bei der Bestellung neuer Bischöfe und nach der Zulassung von Frauen zum Diakonat. Im Vorfeld des Treffens sorgte der Münchner Kardinal Reinhard Marx mit seinem Plädoyer für Aufsehen, katholischen Priestern die Ehe zu ermöglichen. „Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet. Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären“, sagte Marx der „Süddeutschen Zeitung“.
Vertreterinnen und Vertreter von Frauenverbänden und Reformgruppen überreichten dem Synodalpräsidium kurz vor Beginn des Treffens einen Offenen Brief, in dem sie zu konkreten Entscheidungen ermutigen. Unterdessen warnt die Initiative „Neuer Anfang“ um den Publizisten Bernhard Meuser in „Sieben Fragen an die Katholische Kirche in Deutschland zu Autonomie und Freiheit“ vor Änderungen an der Sexualmoral. Die Kritik heißt: Statt um „Gott und seinen Offenbarungen“ gehe es mehr und mehr um „den Menschen und seine Bedürfnisse“.