Kommission weist Kritik an Missbrauchsbericht zurück

Der Präsident der unabhängigen Untersuchungskommission zu Missbrauch in der Kirche in Frankreich (Ciase), Jean-Marc Sauve, hat Kritik an den Befunden und Methoden der Kommission zurückgewiesen.
Paris – Der Präsident der unabhängigen Untersuchungskommission zu Missbrauch in der Kirche in Frankreich (Ciase), Jean-Marc Sauve, hat Kritik an den Befunden und Methoden der Kommission zurückgewiesen. In einer am Mittwoch vorgelegten Replik antwortet er auf rund 50 Seiten auf Anwürfe von Mitgliedern der Katholischen Akademie Frankreichs, wie die Zeitung "La Croix" (online Mittwochabend) berichtet. Die Akademie habe "weniger versucht, eine Debatte anzustoßen und zur Wahrheit beizutragen", als vielmehr zu verunglimpfen, "zu diskreditieren, anzuprangern und zu zerstören", so Sauve im Vorwort.

Symbolfoto: Mehmet A./Pixabay

Der Präsident der unabhängigen Untersuchungskommission zu Missbrauch in der Kirche in Frankreich (Ciase), Jean-Marc Sauve, hat Kritik an den Befunden und Methoden der Kommission zurückgewiesen. In einer am Mittwoch vorgelegten Replik antwortet er auf rund 50 Seiten auf Anwürfe von Mitgliedern der Katholischen Akademie Frankreichs, wie die Zeitung “La Croix” (online Mittwochabend) berichtet. Die Akademie habe “weniger versucht, eine Debatte anzustoßen und zur Wahrheit beizutragen”, als vielmehr zu verunglimpfen, “zu diskreditieren, anzuprangern und zu zerstören”, so Sauve im Vorwort.

In der Replik wird unter anderen Francois Heran zitiert, Professor am College de France. Er habe die von der Ciase angewandten Methoden sorgfältig analysiert und komme zu dem Schluss: “Die in diesem Bericht geleistete Arbeit zeigt keinerlei grundsätzliche Feindseligkeit gegenüber der katholischen Kirche.” Der Befund zeuge “von einer unabhängigen Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit”. Auch Gutachter des nationalen Statistikamtes Insee sprachen die Kommission von Mängeln und Vorbehalten frei.

Der Ciase-Bericht hatte Anfang Oktober eine Schockwelle durch das Land und durch die Weltkirche gesendet. Papst Franziskus sprach von “Scham” und “Schande”. Auf 216.000 schätzt die Kommission die Zahl minderjähriger Opfer sexueller Übergriffe durch Priester, Diakone und Ordensleute in der katholischen Kirche in Frankreich seit 1950. Nimmt man Laien und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen, Pfarreien und Katechese hinzu, kommt sie sogar auf geschätzt 330.000 Opfer. Die Zahl läge damit – absolut und auch relativ – um ein Vielfaches höher als die in vergleichbaren europäischen Ländern ermittelten.

Bei den Zahlen in Frankreich handelt es sich nicht um aktenkundige Verdachtsfälle, sondern um “Hochrechnungen auf sexualwissenschaftlicher Basis”. So wurden etwa der Zugang von Lehrern zu minderjährigen Schülern über viele Jahre und die statistische Häufigkeit von Taten pro einschlägigem Täter eingerechnet; das Ergebnis ist also eine sogenannte Dunkelfeldstudie. Methodisch unverantwortlich finden das acht Mitglieder der Akademie, eines Gremiums, in dem katholische Intellektuelle aller Couleur vertreten sind. Alle Welt spreche statt über die tatsächlichen 2.738 Zeugenaussagen nur noch über eine gigantische Schätzzahl, die durch nichts belegt sei, so die Kritiker wenige Tage nach Veröffentlichung des Ciase-Berichts.

Zudem bemängelten die Akademiemitglieder auf 15 Seiten, zuweilen aggressiv formuliert, theologische und rechtliche Schwächen sowie “teils gefährliche Analysen”. Es fehle an “wissenschaftlicher Strenge”. Die “unverhältnismäßige Bewertung” nähre den Diskurs von einem systemischen Charakter von Missbrauch und befeuere die Rede vom “Sturz der Institution Kirche”, so die acht Unterzeichner. Mit Blick auf die rechtlichen Grundlagen wurde betont, dass die Kirche keine juristische Person sei. Haften müsse der Einzelne, der für den Schaden verantwortlich sei. Zudem müssten die Taten “mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden”; dazu brauche es mehr als Aussagen von Opfern. Für die Entschädigungsdebatte verwiesen die Unterzeichner auf die Rechtsgrundsätze von Verjährung, Rückwirkungsverbot und Eigenverantwortung.

Die Schwächen des Ciase-Berichts, so argumentieren sie, relativierten auch seine Schlussfolgerungen, die “für die Kirche ruinös sein könnten”. Auch könnten die Empfehlungen “einer Kommission ohne kirchliche oder zivile Autorität” nicht bindend für das Handeln der Kirche sein. Der Kommissionsvorsitzende Sauve, ein früherer Richter, Ex-Vizepräsident des Französischen Staatsrates und ebenfalls Mitglied der Katholischen Akademie, hatte die Kritik schon damals als substanzlos und voreingenommen zurückgewiesen und eine umfassende Widerlegung angekündigt. Die Angriffe seien “unausgegoren und übertrieben” und kämen aus traditionalistischen Kreisen. Der Vatikan, dem die Kritik der Akademie ebenfalls übermittelt wurde, hatte die Ciase-Kommission damals aus “Zeitmangel” ausgeladen. Stattdessen wurde später die Spitze von Frankreichs Bischofskonferenz zur Erläuterung der Befunde angehört.

Nachdem das Schreiben der acht Mitglieder bekannt wurde, erlebte die renommierte Akademie eine Austrittswelle – auch weil viele Mitglieder nicht über die Aktion informiert waren. Neben anderen zogen sich der Episkopatsvorsitzende, Eric de Moulins-Beaufort, und die Vorsitzende der Ordensoberenkonferenz (Corref), Veronique Margron, aus dem Gremium zurück. Gegründet worden war die Akademie 2008, einen Monat nach dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in Paris. Sie sollte den Dialog unter den katholischen Intellektuellen fördern und für eine bessere Sichtbarkeit des Christentums in der gesellschaftlichen Debatte sorgen.

Von Alexander Brüggemann (KNA)

Kritik an Methoden des Missbrauchsberichts in Frankreich