Knapp fünf Monate hat sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Während dieser Auszeit spitzte sich die Lage im Erzbistum zu. Bald kehrt Woelki zurück.
Köln – Als klar wird, dass der bisherige Kölner Erzbischof wohl auch der künftige sein wird, macht sich Enttäuschung im Saal breit. Wenige Tage vor der geplanten Rückkehr des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki von seiner Auszeit spricht der derzeitige Übergangsverwalter im Erzbistum Köln, Weihbischof Rolf Steinhäuser, vor Publikum in der Karl-Rahner-Akademie. Er tritt im Rahmen einer Buchvorstellung auf – und gibt dabei Einblicke in die vergangenen und auch die kommenden Wochen in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese.
Als er das Amt des sogenannten Administrators im Oktober übernommen habe, sei ihm bewusst gewesen, dass die Aufgabe zeitlich begrenzt sei, so Steinhäuser. „Klar war auch, ich kenne meinen Vorgänger, und ich kenne meinen Nachfolger“, sagte er mit Blick auf Woelki. „Also, bleibt alles beim Alten?“, ruft eine Frau aus dem Publikum mit kaum unterdrückter Empörung.
Übergangsverwalter Steinhäuser hat sich beliebt gemacht
Kardinal Woelki hat auch Unterstützer im Erzbistum Köln. Die Szene in der Karl-Rahner-Akademie zeigt jedoch, dass manche eher Steinhäuser favorisieren würden, denn sie sind von seiner Arbeit der vergangenen fünf Monate angetan. Gelobt wird vor allem Steinhäusers kommunikative Art – eine Schwäche des Erzbischofs.
Die Buchvorstellung ist nun einige Tage her. Diesen Mittwoch kehrt Woelki zurück. In den vergangenen Wochen schwoll die Kritik an seiner Person wieder an. Wichtige Gremien zeigten sich skeptisch bis ablehnend, öffentliche Stimmen für den Kardinal waren selten. Auch Steinhäuser äußerte sich skeptisch. „Würde es für Kardinal Woelki einen gecoachten Wiedereinstieg geben, und er würde sich an die Spielregeln halten, wäre ich nicht völlig der Meinung, dass das nicht gehen könnte“, sagte er und schob hinterher: „Nur dazu muss man die Spielregeln erst haben und akzeptieren.“
Die Lage im Erzbistum ist verfahren. Die Querelen um die Aufarbeitung früherer Missbrauchsfälle, die Woelki angestoßen, aber dann streckenweise schlecht gemanagt hatte, haben zu einer tiefen Vertrauenskrise geführt. Bis heute werfen Kritiker dem Kardinal Vertuschung vor und fordern seinen Rücktritt. Steinhäuser hingegen setzte in den vergangenen Wochen Impulse, die in ihren Augen für Transparenz stehen.
Wurden wichtige Gremien übergangen?
So legte er offen, dass Woelki und sein Generalvikar Markus Hofmann im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung für Juristen und PR-Experten 2,8 Millionen Euro ausgegeben haben. Den Vorwurf, dass dabei wichtige Gremien übergangen wurden, ließ Steinhäuser durch zwei Kirchenrechtler überprüfen. Ihr unveröffentlichtes Urteil liegt im Vatikan vor.
Zudem erschütterte das Thema Missbrauch das Erzbistum auch während Woelkis Auszeit. Vergangenen Freitag wurde ein Geistlicher der Erzdiözese wegen 110-fachen Missbrauchs an minderjährigen Mädchen zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Der Prozess warf ein Schlaglicht auf den bisherigen Umgang der Kirche in Köln mit beschuldigten Seelsorgern: Obwohl es Hinweise gegen den angeklagten Priester U. gab, gingen auch mächtige Amtsträger nicht konsequent gegen ihn vor. Allerdings war es Woelki, der den Fall U. kirchenrechtlich aufrollen ließ und so auch den Prozess vor dem Kölner Landgericht anstieß.
Ein zweiter Fall führte vergangene Woche zu Aufregung: Der wegen sexueller Übergriffe beschuldigte Priester D. feierte offensichtlich unerlaubt Gottesdienste – nicht im Erzbistum Köln, aber in Wien. Die österreichische Erzdiözese sprach nun ein Betätigungsverbot für D. aus. Dass das Erzbistum Köln ein kirchenrechtliches Verfahren gegen ihn in die Wege geleitet hatte, sei in Wien nicht bekannt gewesen. Kritiker sehen sich bestätigt, wie leicht beschuldigte Geistliche Auflagen umgehen können.
Woelki wird sich mit dem Fall D. beschäftigen müssen
Woelki wird sich nach Ende seiner Auszeit mit dem Fall D. beschäftigen müssen. 2017 hatte er den Priester zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf befördert. Eine Entscheidung, die dem Erzbischof heute angekreidet wird. Unklar ist, was der Papst über die Causa Woelki denkt. Momentan sieht es so aus, als wolle er ihm eine zweite Chance im Erzbistum geben. Seinen ersten öffentlichen Auftritt sagte der Kardinal indes ab: Dem Aschermittwochgottesdienst im Kölner Dom wird er fernbleiben. Er wolle nicht, dass „dieses wertvolle Ereignis von den aktuellen kirchenpolitischen Spannungen überschattet wird“, hieß es zur Begründung.
Unterdessen trifft Übergangsverwalter Steinhäuser auch noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit Entscheidungen, die auf ein positives Echo stoßen. Am Freitag beurlaubte er einen Kirchenrichter, da dieser in den Sozialen Medien Nazi-Vergleiche angestellt hatte. Insgesamt ist die Situation in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese komplex. Von einer „bunten Gemengelage“ sprach Steinhäuser in der Karl-Rahner-Akademie. Das eigentlich Spannende stehe jetzt bevor: „eine sehr lange Serie von Konfliktgesprächen“.
Offen ist, wie sich Steinhäuser künftig in diese Gespräche einbringen wird und kann. Kommt es zu einer Aufgabenteilung? Der Papst könnte ihn zum Koadjutor ernennen, dann würden er und Woelki gemeinsam das Erzbistum leiten. Oder wird Steinhäuser sozusagen wieder als Weihbischof zurückversetzt? So oder so: Seine Entscheidungsbefugnisse sind begrenzter, wenn Woelki am Mittwoch seine Amtsgeschäfte aufnimmt. Steinhäuser selbst drückte es so aus: „Ich weiß nicht, wie der Kardinal mit mir umgehen möchte und was dann passiert.“