In der Politik ist von einer Zeitenwende die Rede. Der Krieg in der Ukraine fordert auch die katholischen Bischöfe in Deutschland. Sie müssen klären, wie weit sie gehen wollen in der Frage der Waffenlieferungen.
Vierzehnheiligen – Die Worte des ukrainischen Mitglieds der Deutschen Bischofskonferenz sind scharf: Der russische Angriff auf die Ukraine sei ein „Akt des Staatsterrorismus“, die Propagandamaschine so rücksichtslos und gnadenlos, „im Vergleich zu der selbst Goebbels wie ein Anfänger wirkt“. Bischof Bohdan Dzyurakh ist Apostolischer Exarch für die Ukrainer in Deutschland und Skandinavien, zuständig für rund 80.000 katholische Ukrainer hierzulande. Er spricht vom Gebet als stärkster Waffe. Doch was ist mit Panzerfäusten, Abwehr-Raketen und Kampfflugzeugen? Die Frage der Waffenlieferungen ist eine der heikelsten, gerade für die Kirche und damit auch für die deutschen Bischöfe.
Meier veruteilt das Vorgehen Russlands verurteilt „ohne Wenn und Aber“
Neben Dzyurakh sitzt am Mittwoch Bertram Meier auf dem Podium bei der Pressekonferenz im Rahmen der Vollversammlung der deutschen Bischöfe in Vierzehnheiligen. Seit September ist der Augsburger Bischof so etwas wie der Außenminister der Deutschen Bischofskonferenz. Das Vorgehen Russlands verurteilt er „ohne Wenn und Aber“, so wie es bereits der Bischofskonferenz-Vorsitzende, der Limburger Bischof Georg Bätzing am Montag zur Eröffnung des viertägigen Treffens mit deutlichen Worten getan hat. Doch dann wird es schon schwieriger.
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Meier spricht von einer „Gratwanderung“, einem „politischen Jonglieren“. Die ukrainische Nation besitze ein Recht auf Selbstverteidigung, sagt der Bischof mit Verweis auf das Völkerrecht. Dies werde auch von der katholischen Friedenslehre bejaht. Ab diesem Punkt referiert Meier dann die Entscheidung der Nato-Staaten, dieses Recht mit Waffenlieferungen zu unterstützen, jedoch nicht selbst in den Krieg eingreifen zu wollen.
Der politische Streit sei legitim
Der politische Streit darüber sei legitim, die Kirche keinem politischen Konzept verpflichtet. „Aber wir können Orientierung geben, indem wir feststellen, dass wir die Mischung aus Beistand für ein angegriffenes Land und einer Selbstbeschränkung um eines höheren Gutes Willen als prinzipiell vereinbar mit den Grundlagen der christlichen Friedenslehre erachten.“ Dies auszutarieren ist eine der vielen aktuellen Herausforderungen für die Bischöfe in Vierzehnheiligen. Am Donnerstag wollen sie sich dazu offiziell äußern, kündigte Konferenz-Sprecher Matthias Kopp an.
Unstrittig unter den 69 Mitgliedern dürfte sowohl die Verurteilung Russlands sein, ebenso die Entscheidung der Nato, nicht so einzugreifen, dass dies einen Weltkrieg auslösen würde. Dass die Ukraine unterstützt werden müsse, etwa mit Helmen und Schutzwesten, dürfte ebenfalls konsensfähig sein. Schwieriger wird es bei der Frage von tödlichen Waffen. Augsburg Bischof Meier spricht von einem „grundlegend kritischen Verhältnis der Kirche zur Gewalt“, das inspiriert sei vom Beispiel und der Lehre Jesu. „Wir wissen: Gewalt und Gegengewalt erzeugen eine unheilvolle Dynamik.“ Und: Der Horizont des Friedens dürfe nicht entschwinden.
Friedenspolitik mehr umfasse als Sicherheits- und Rüstungspolitik
Wie dies möglicherweise aussehen kann, skizzierte am Mittwoch der Theologe und Friedensforscher Heinz-Günther Stobbe. Er ist von den Bischöfen als Experte nach Vierzehnheiligen gebeten worden. Stobbe begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, Waffen an die Ukraine zu liefern und zusätzliche 100 Milliarden Euro in die Ausrüstung der Bundeswehr zu investieren. Er fügte jedoch hinzu, dass Friedenspolitik mehr umfasse als Sicherheits- und Rüstungspolitik. „Entwicklungspolitik und Klimapolitik sind Teil der deutschen Friedenspolitik und sie müssen es ungeschmälert bleiben. Was auf keinen Fall geschehen darf, ist eine Lastenverteilung, die am Ende vor allem die Armen und Schwachen in Deutschland und in der Welt zur Kasse bittet.“