Mit ihrem Vorstoß zur Begrenzung des Fleischkonsums stößt Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) auf Kritik.
Berlin – Mit ihrem Vorstoß zur Begrenzung des Fleischkonsums stößt Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) auf Kritik. „Diese Forderungen sind fachlich schlichtweg falsch“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). „Futtergetreide wird meist in Regionen angebaut, in denen die Böden für den Anbau von Brotweizen häufig ungeeignet sind.“
Ruf nach weniger Biosprit und Tierzucht für Ernährungssicherheit
Entwicklungshilfeministerin Schulze hatte an die Verbraucher appelliert, weniger Fleisch zu essen und damit den Hunger in der Welt zu reduzieren. „60 Prozent des weltweit produzierten Maises wird an Tiere verfüttert, in der EU ist es bei Weizen ähnlich“, sagte Schulze dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). „Es würde der Getreideversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern mittel- und langfristig sehr helfen, wenn wir in den reichen Ländern weniger tierische Produkte essen würden.“ Ähnlich äußerte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Schulze sagte weiter, wenn in Deutschland die Schweinefleischproduktion um 30 Prozent reduziert würde, wäre eine Ackerfläche von einer Million Hektar frei, etwa ein Zehntel der deutschen Ackerfläche. „Darauf könnte man fünf Millionen Tonnen Getreide anbauen.“ Längerfristig würde sich so weltweit die Versorgungslage verbessern, so die Ministerin.
Schulze: Spielräume für schnelle Anpassungen
Mit Blick auf die durch den Ukraine-Krieg stark gestiegenen Weizenpreise sagte sie, wenn ein Produkt knapp sei, müsse der Verbrauch gedrosselt werden. „Getreide gehört zuallererst auf den Tisch – und zwar ohne den Umweg über den Futtertrog.“ Die Ukraine und Russland zählen zu den Hauptexporteuren von Weizen weltweit.
Auch eine Reduzierung des Mais- und Getreideanteils im Biosprit müsse erwogen werden, erklärte die Entwicklungsministerin. Sie sei dafür, „zu prüfen, ob es Spielräume für schnelle Anpassungen gibt“. Im Tank seien Mais und Getreide in diesen schwierigen Zeiten „am schlechtesten aufgehoben“. Schulze betone: „Wir brauchen angesichts der drohenden Ernährungskrise Getreide, um Menschen zu versorgen.“
Greenpeace: Europa könnte ausfallenden Getreideexporte aus Ukraine vollständig ersetzen
Unterdessen forderte Greenpeace die Bundesregierung auf, angesichts der weltweit drohenden Lebensmittelknappheit Biosprit per Verordnung zu verbieten. „Frisches Öl, wie Raps-, Soja- oder Palmöl, gehören nicht in den Tank, sondern auf den Essenstisch“, sagte der Greenpeace-Experte für Landwirtschaft, Martin Hofstetter, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Zudem sollte deutlich weniger Getreide als Tierfutter, sondern als Nahrungsmittel verwendet werden.
Die Menge von zwölf Liter Rapsöl, die demnach pro Kopf und Jahr im Autosprit landeten, würde „jedem locker reichen, um sich davon im Jahr zu ernähren“, so Hofstetter. „Und damit könnte man auch zusätzlich andere Menschen versorgen, wenn die Exporte von Sonnenblumenöl aus der Ukraine wegfallen sollten.“
„Die Natur lässt sich nicht von rot-grünen Ideologen kommandieren“
Europa könnte laut Greenpeace zudem die ausfallenden Getreideexporte aus der Ukraine bereits in diesem Jahr vollständig ersetzen, wenn Getreide mehr als Nahrungsmittel statt als Tierfutter verwendet würde. „Wenn wir in Europa zehn Prozent weniger Tiere hätten, stünde uns automatisch so viel Weizen zur Verfügung, dass wir die gesamten Getreide-Exportausfälle der Ukraine ersetzen könnten.“ Die EU produziere 160 Millionen Tonnen Getreide, die als Futtermittel eingesetzt würden. „10 Prozent davon sind 16 Millionen Tonnen – genau so viel Getreide exportiert die Ukraine derzeit in die Welt.“
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Auch der Verband der Fleischwirtschaft lehnte Schulzes Ansinnen ab. Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) argumentierte: „Ein Großteil der Tiernahrung ist nicht für den menschlichen Verzehr geeignet.“ Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte: „Landwirtschaft ist nicht so einfach, wie sich das Frau Schulze denkt. Die Natur lässt sich nicht von rot-grünen Ideologen kommandieren. Nicht überall lässt sich Qualitätsweizen anbauen. Futtergetreide kann nicht einfach zum Backen verwendet werden. Wenn wir das ganze Grünland in Ackerböden umwandeln, setzen wir riesige Mengen an Treibhausgasen frei. Unsere Almen verschwinden, wenn dort keine Tiere mehr weiden.“
Schulze-Vorschlag gehe an Realität vorbei
Der Vorschlag der Ministerin gehe an der Realität vorbei. So sei die Gerste bereits ausgesät, meinte die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad. Zugleich forderte sie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf, dafür zu sorgen, „dass auf mehr Ackerflächen Weizen angebaut werden kann. Es darf jetzt keine Stilllegung produktiver Ackerflächen geben“.