Freispruch für „bibeltreuen“ Pastor Olaf Latzel – Prozess mit theatralischen Zügen

Weil er sich abwertend über Homosexualität und Gender-Theorien äußerte, musste sich der Bremer Pastor Olaf Latzel in einem Strafprozess verantworten. Nun sprach ihn das Landgericht vom Vorwurf der Volksverhetzung frei.
Weil er sich abwertend über Homosexualität und Gender-Theorien äußerte, musste sich der Bremer Pastor Olaf Latzel in einem Strafprozess verantworten. Nun sprach ihn das Landgericht vom Vorwurf der Volksverhetzung frei.

Bild von Sang Hyun Cho auf Pixabay

An der Fassade des Bremer Gerichtshauses prangen Tafeln mit den Zehn Geboten. Und auch hinter den dicken Mauern ging es in den vergangenen zwei Wochen viel um die Bibel. Auf der Anklagebank saß mit Olaf Latzel (54) ein evangelischer Pastor, der sich selbst als „bibeltreu“ bezeichnet und abwertend über Homosexualität und Gender-Theorien geäußert hat. In einem Berufungsprozess wehrte er sich gegen seine Verurteilung wegen Volksverhetzung durch das Amtsgericht Bremen – und erstritt einen Erfolg: Das Landgericht der Hansestadt, das trotz aller religiösen Bezüge nach staatlichem Recht urteilt, sprach den Geistlichen am Freitag frei.

Latzel habe mit seinen Aussagen nicht zwangsläufig zum Hass gegen abgrenzbare Personengruppen angestachelt, begründete Richter Hendrik Göhner. Zwar könne man die Aussagen in diese Richtung verstehen. Aber es gebe zumindest eine Deutungsmöglichkeit, die zur Straflosigkeit führe.

Der Pastor der evangelikal ausgerichteten Bremer Sankt-Martini-Gemeinde hatte in einem auch auf Youtube veröffentlichten Seminar die Ehe zwischen Mann und Frau verteidigt und Homosexualität als „Degenerationsformen von Gesellschaft“ bezeichnet. Latzel sagte: „Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher-Street-Day.“ Die Idee, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe, verurteilte er als „Genderdreck“, der ein „Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung“ und „zutiefst teuflisch und satanisch“ sei. Der Verein Christopher-Street-Day Bremen stellte daraufhin Strafantrag gegen Latzel; das Amtsgericht verurteilte ihn im November 2020 zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro, also insgesamt 8.100 Euro.

Verhandlung mit theatralischen Zügen

Die insgesamt viertägige Berufungsverhandlung trug teils theatralische Züge. Latzel – ein großer, kantiger Typ – erschien stets mit einer Bibel und wurde von zwei Verteidigern flankiert. Im Zuschauerraum verfolgte jeweils etwa ein Dutzend seiner Anhänger den Prozess.

Richter Göhner und Staatsanwältin Melina Lutz überließen weitgehend Verteidiger Sascha Böttner das Feld. Der nutzte die Befragung des Angeklagten für eine theologische Lehrstunde („Was ist Dreifaltigkeit?“, „Wer ist der Teufel?“, „Wie kann man zum ewigen Leben kommen?“) und gefiel sich in langen Reden mit weitschweifenden Exkursen.

Zwei Theologen als Sachverständige

Daneben wurden auch zwei Theologen als Sachverständige angehört. Der katholische Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger erklärte, Latzels Äußerungen entsprächen zwar nicht dem Mainstream, seien aber von der Bibel grundsätzlich gedeckt. Die evangelische Professorin für Praktische Theologie, Isolde Karle, sah für die Aussagen hingegen keine Grundlage im Christentum. Das Verhalten des Pastors sei „professionsethisch untragbar“. Die Verteidigung setzte daraufhin ihre Ablehnung als Gutachterin durch.

Latzel selbst ergriff häufig das Wort und entschuldigte sich mehrfach für seine scharfen Formulierungen. Er habe lediglich die Homosexualität und die Gender-Theorie verurteilt, nicht aber die betroffenen Menschen. Die Bibel stufe homosexuelle Taten nun einmal als Sünde ein. Mit dem Begriff „Verbrecher“ habe er „militante Aggressoren“ gemeint, die ihn und seine Gemeinde immer wieder attackierten. Tatsächlich gab es Farb-Attacken auf seine Kirche.

Richter Göhner folgte dieser Argumentation, übte aber auch Kritik: „Diese Äußerungen sind in gesellschaftlicher Hinsicht mehr als befremdlich – insbesondere in so einem hohen Amt, das sie bekleiden“, sagte er an Latzel gewandt. Sie trügen nicht zu einem guten gesellschaftlichen Miteinander bei. Man könne dieselbe Position auch mit weniger scharfen Worten zum Ausdruck bringen.

Die Queer-Bewegung dürfte das nicht zufriedenstellen. Einige Anhänger demonstrierten während der Urteilsverkündung vor dem Gericht und erklärten: „Latzel ist die Galionsfigur einer ganzen Bewegung rechter politischer evangelikaler Christ*innen – und vertritt deren menschenfeindliche Werte.“

Spannend bleibt, wie die Bremische Evangelische Kirche als zuständige Landeskirche weiter mit Latzel umgeht. Während die Martini-Gemeinde hinter ihrem Pastor steht, hatte sich die Kirchenleitung in der Vergangenheit wiederholt von seinen Aussagen distanziert. Ein 2020 gestartetes Disziplinarverfahren soll wieder aufgenommen werden, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Noch hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, Revision gegen die Entscheidung des Landgerichts einzulegen.

Von Michael Althaus (KNA)