Debatten über Reformen in der Kirche haben die ersten beiden Tage des Katholikentages in Stuttgart geprägt. Akzente dabei setzte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Stuttgart – Debatten über Reformen in der Kirche haben die ersten beiden Tage des Katholikentages in Stuttgart geprägt. Akzente dabei setzte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Wie schon zum Auftakt am Mittwochabend warnte Steinmeier auch am Donnerstag vor einem Bedeutungsverlust von Kirche.
„Unsere Gesellschaft braucht eine starke Kirche“
„Unsere Gesellschaft braucht eine starke Kirche, die relevant ist“, sagte das Staatsoberhaupt am zweiten Tag seines Besuches bei einem Rundgang durch die Stuttgarter Innenstadt. „Deshalb hoffe ich, dass Sie in ihren Anstrengungen für Kirchenreformen vorankommen“, so Steinmeier, der selbst evangelisch ist, bei einem kurzen Stopp an einem Stand zum Synodalen Weg. Bei einem Gespräch mit Papst Franziskus in Rom habe er für die von katholischen Bischöfen und Laien gestartete Initiative geworben.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte, die nicht zuletzt durch den Missbrauchsskandal ausgelöste Krise treibe ihn um. „In der Situation, wo wir jetzt sind, betrügen wir viele Menschen um eine Brücke zu Gott. Und das ist das, woran ich leide. Ich schöpfe daraus die Kraft, alles zu tun, was in meiner Macht steht, es zu ändern“, so der Bischof in einer ZDF-Sendung vom Katholikentag.
Bätzing steht derzeit wegen der Beförderung eines Priesters in der Kritik, der Jahre zuvor zwei Frauen belästigt hatte. In der Fernsehdiskussion verteidigte der Limburger Bischof sein Vorgehen. Angesichts der Reue des Beschuldigten sowie bereits erfolgter Strafen und einer Entschuldigung habe er sich gefragt, ob es nicht die Möglichkeit einer Rehabilitation geben müsse.
In der gleichen Sendung rief SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert die katholische Kirche auf, aus dem „Modus der erzwungenen Selbstbeschäftigung“ herauszufinden. Es gebe gute Gründe für diesen Zustand, allen voran die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, sagte Kühnert. Zugleich wünsche er sich, dass die Kirche ihre Erfahrungen und internationalen Netzwerke viel stärker in die öffentliche Debatte einbringe.
Weitere Themen: Armut und Umweltschutz
Der Kampf gegen Armut in der Welt und der Einsatz für den Umweltschutz waren am Donnerstag weitere Themen des Katholikentreffens. Trotz bedeckten Himmels herrschte bei Temperaturen um die 20 Grad reges Treiben auf der Kirchentagsmeile in der City, wo sich zahlreiche Gruppen und Initiativen präsentieren. Das Spektrum reicht von der kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung über katholische Medien, Hilfswerke und Orden bis hin zu konservativen Gruppierungen wie Maria 1.0, die eine Rückbesinnung auf kirchliche Lehre und Tradition anstelle von Reformdebatten wünschen.
Begonnen hatte der Tag mit einem Gottesdienst zum Fest „Christi Himmelfahrt“. Vor 9.000 Menschen forderte der gastgebende Bischof Gebhard Fürst, sich für eine gerechtere Welt zu engagieren. In den Fürbitten wurde unter anderem für die Toten des Amoklaufs in Texas gebetet sowie für Opfer von sexualisierter Gewalt und von Kriegen. Eine Ordensfrau trug in ukrainischer Sprache eine Bitte für die Menschen in der Ukraine vor, „deren Leben durch Krieg gekennzeichnet ist“.
Der Ukraine-Krieg wird am Freitag das zentrale Thema des Katholikentages sein. Dann ist eine große Friedenskundgebung geplant. Vereinzelt waren in der Innenstadt Passanten mit russischer Fahne zu sehen. Laut Angaben der Veranstalter gab es bislang jedoch keine Störungen.