Die Kirche muss sich nach den Worten des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck beim Arbeitsrecht und im Dienstrecht neu aufstellen.
Stuttgart – Die Kirche muss sich nach den Worten des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck beim Arbeitsrecht und im Dienstrecht neu aufstellen. Wenn auch verspätet, geschehe dies derzeit auch, betonte Overbeck am Donnerstag in Stuttgart. Er äußerte sich bei einer Diskussionsveranstaltung des Katholikentages mit dem Titel „Arbeit fairteilen“.
Regelungen zur persönlichen Lebensführung neu definieren
Manche Vorteile im Arbeits- und Dienstrecht gelte es zu erhalten, sagte Overbeck. Aber die Regelungen zur persönlichen Lebensführung beispielsweise müssten „nach dem Würdekonzept“ und vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Missbrauchsskandal in der Kirche neu definiert werden.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Kerstin Griese (SPD), nannte es „nicht mehr tragbar“ und diskriminierend, dass die „individuelle Lebensführung“ sanktioniert werde. Auch sei das Streikrecht ein grundlegendes Menschenrecht, das man niemanden vorenthalten könne. Zugleich betonte sie, dass die Ampel-Koalition Reformen im Gespräch mit der Kirche angehen wolle.
Der Sozialethiker Bernhard Emunds aus Frankfurt am Main forderte ein grundsätzliches Ende des kirchlichen Arbeitsrechts. Ein Sonderarbeitsrecht der Kirche passe nicht mehr in „unsere weithin säkularisierter Welt“. Das normale Arbeitsrecht reiche auch für Tendenzbetriebe aus. Tarifrechtlich seien die Abweichungen für die Kirche ohnehin sehr begrenzt.
Defizite sah Emunds auch auf anderen Feldern. Von einer paritätischen Mitbestimmung sei man noch weit entfernt sei. Das größte Problem sei aber die Zersplitterung der Tarife in der Sozialbranche. So sei der Mindestlohn in der Pflegebranche an der fehlenden Zustimmung der Caritas auf Bundesebene gescheitert.
Griese sagte, dass die Entscheidung der Caritas in diesem Falle „nicht hilfreich“ gewesen sie und sie „erschüttert“ habe. Overbeck räumte ein, dass man es dabei versäumt habe, das „ordnungspolitisch Notwendige“ zu tun, zumal es sich um eine Frage des Gemeinwohls gehandelt habe.
Größere Geschlechtergerechtigkeit gefordert
Mit Blick auf die Pflege- und Sorgearbeit forderte die Münsteraner Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins vor allem eine größere Geschlechtergerechtigkeit bei den Arbeitsbedingungen. Die größten Unterschiede bei der unbezahlten Sorgearbeit zeige sich statistisch im Alter von Mitte 30, wo die Frauen bei der Kindererziehung, in der Altenpflege und im Haushalt besonders gefordert seien.
Frauen würden dadurch langfristig schlechter gestellt sowohl bei der sozialen Sicherheit wie bei der Gesundheit. Das Risiko von Altersarmut sei wesentlich höher. Deshalb müsse ein Ausgleich zwischen unbezahlter Sorgearbeit und Erwerbsarbeit gefunden werden.