Missbrauchsstudie für das Bistum Osnabrück wird vorgestellt – Zwischenbericht zur Verantwortung des Leitungspersonals

Am Dienstag wird ein Bericht über sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück vorgestellt. Die Studie soll die Rolle der Verantwortlichen seit 1945 klären. Der amtierende Bischof Bode ist zur Präsentation nicht eingeladen.
Am Dienstag wird ein Bericht über sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück vorgestellt. Die Studie soll die Rolle der Verantwortlichen seit 1945 klären. Der amtierende Bischof Bode ist zur Präsentation nicht eingeladen

Bischof Franz-Josef Bode –Foto:pbo

 

Am Dienstag wird ein Bericht über sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück vorgestellt. Die Studie soll die Rolle der Verantwortlichen seit 1945 klären. Der amtierende Bischof Bode ist zur Präsentation nicht eingeladen. Die Diözese hatte die Hochschule im vergangenen Jahr mit dem auf insgesamt drei Jahre angelegten Forschungsprojekt beauftragt. Im ersten Teil geht es um das Verhalten von Bischöfen und anderen Personalverantwortlichen in der Zeit seit 1945. Daher gehören zum Berichtsgebiet auch die Regionen des 1995 gegründeten Erzbistums Hamburg, die bis dahin Teil der Diözese Osnabrück waren.

Geleitet wird das Forschungsprojekt zu sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück vom Juristen Hans Schulte-Nölke und der Historikerin Siegrid Westphal. Zu den sieben Personen der Steuerungsgruppe gehören auch drei Betroffene von sexualisierter Gewalt im kirchlichen Raum. Leitfrage ist, ob in Verdachtsfällen die Vorgehensweise von Bistumsverantwortlichen im Einklang mit den Vorschriften des staatlichen und des kirchlichen Rechts stand.

Die Bistumsleitung erhofft sich von der Studie Impulse zur Veränderung des eigenen Systems. „Wir wissen, dass auch in unserem Bistum teilweise erhebliche Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen gemacht wurden“, sagte Generalvikar Ulrich Beckwermert unlängst der Bistumszeitung „Kirchenbote“. Vor allem gehe es darum, zu den bisherigen eigenen Einschätzungen wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu erhalten. Zu erwarten sei, dass auch in Osnabrück die Aktenführung als lückenhaft moniert wird, räumte ein Bistumsmitarbeiter ein.

Auch wenn das Bistum die 1,3 Millionen Euro teure Studie beauftragte, habe es keinen Einfluss auf Durchführung und Ergebnis, versicherten beide Seiten. Bischof Bode und die übrige Bistumsleitung erhalten den Bericht erst am Dienstag. Zudem entschied die Uni, dass bei der Vorstellung kein Bistumsvertreter anwesend sein soll. Bode will am Donnerstag in einer eigenen Pressekonferenz zu der Studie Stellung beziehen.

Er selber hatte bereits vor Jahren Fehler und Versäumnisse des Bistums eingeräumt. Als erster deutscher Bischof bat er im April 2000 um Verzeihung unter anderem für den Missbrauch Jugendlicher durch Geistliche. Für Aufsehen sorgte ein Bußgottesdienst am ersten Adventssonntag 2010 – in dem Jahr, als der Missbrauchsskandal in Deutschland öffentlich durchschlagend bekannt wurde. Dass Bode sich als Ausdruck von Bußfertigkeit wie sonst nur im Karfreitagsgottesdienst auf den Boden legte, empfanden manche Katholiken damals als übertrieben.

Laut Beckwermert wurde das Leid von Betroffenen kaum wahrgenommen. „Täter wurden mit Milde behandelt“, so der Generalvikar, und es habe „systemisches und persönliches Versagen“ gerade auf der Leitungsebene gegeben. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurden eine Reihe von Fällen bekannt. So gab es Ende der 1960er Jahre in einem damaligen Internat des Maristenordens in Meppen Fälle sexuellen Missbrauchs durch einen Ordensmann. 2010 entließ Bode einen Priester, dem vorgeworfen wurde, an einer früheren Stelle eine Jugendliche vergewaltigt zu haben.

Mitte 2010 gab der damalige Generalvikar Theo Paul bekannt, es gebe 28 Hinweise auf sexuellen Missbrauch. Diese bezogen sich auf 21 Personen, davon 16 Priester. 2018 wurde weitere länger zurückliegende Fälle bekannt, in deren Folge der Bischof einen Ruhestandsgeistlichen suspendierte.

In der sogenannten MHG-Studie der deutschen Diözesen wurden 35 Beschuldigte und 86 Betroffene von sexuellem Missbrauch benannt. Aus dem Bischöflichen Amt Schwerin, zu DDR-Zeiten organisatorisch von Osnabrück getrennt, wurde ein schwerer Fall aus Neubrandenburg bekannt. Dort habe ein zwischen 1946 und 1975 tätiger Pfarrer zahlreiche Jugendliche missbraucht. Dies ergab eine im Dezember vorgelegte Studie der Universität Ulm über Kirchenverantwortliche in Mecklenburg. Wie viele Fälle mehr es werden, wird die neue Studie zeigen.

Bode, derzeit am längsten amtierender Ortsbischof in Deutschland, hatte bereits eingeräumt, einzelne seiner früheren Entscheidungen seien aus heutiger Sicht falsch. Ob und wer nun persönliche Konsequenzen ziehen könnte, kann Generalvikar Beckwermert bisher nicht sagen. Er wisse nicht, was und wer in der Studie am Dienstag genannt werde. Allerdings ist dies auch nur ein Zwischenbericht. In den nächsten zwei Jahren sollen die Forscher die historische und rechtshistorische Hauptstudie erstellen. Darin werden man „das gesamte Ausmaß der Fälle sexualisierter Gewalt durch Kleriker im Bistum Osnabrück seit 1945 anhand von Akten und durch Befragung von Betroffenen und Zeitzeugen soweit wie möglich aufhellen“, kündigte Mitautor Schulte-Nölke an.

Von Roland Juchem (KNA)