Ex-Oberrabbiner sieht wachsenden Antisemitismus in Russland

Der frühere Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt sieht eine Rückkehr des Antisemitismus in Russland in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.

Der frühere Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt sieht eine Rückkehr des Antisemitismus in Russland in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Wann immer in der russischen Geschichte das politische System in eine Krise geriet, habe die Regierung versucht, Wut und Unzufriedenheit der Massen auf die Juden umzulenken, sagte Goldschmidt zum internationalen Holocaust-Gedenktag am Freitag in Brüssel.

Er verwies auf Judenfeindlichkeit in zaristischen Zeiten und am Ende des stalinistischen Regimes. Jetzt sei erneut ein russlandweiter Anstieg des Antisemitismus zu beobachten. „Schritt für Schritt senkt sich wieder der Eiserne Vorhang, und der Hass gegen die jüdische Gemeinde wächst“, sagte Goldschmidt, der auch Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner ist. „Wir dürfen nicht nur an die Vergangenheit erinnern und darüber reflektieren; wir müssen auch fest in die Zukunft blicken.“ Besonders religiöse Führungsfiguren müssten „moralisch Stellung beziehen“.

Goldschmidt war im Sommer 2022 nach fast 30 Jahren als Leiter des Moskauer Rabbinats zurückgetreten. Im März hatte er kurz nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine Russland verlassen und war schließlich nach Israel gegangen. Als Grund nannte er wachsenden Druck auf religiöse Leitungsfiguren, die Invasion zu unterstützen.

Mit dem Begriff „Eiserner Vorhang“ bezeichnete 1946 der britische Politiker Winston Churchill die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Trennung des kommunistischen Teils Europas vom übrigen Kontinent. Bis zum Zusammenbruch des Ostblocks 1989 prägte dieses Bild die Wahrnehmung einer ganzen Epoche.