Gefälschte Hitler-Tagebücher – Bertelsmann zieht nach

Werbung
Nach dem Vorstoß des NDR zu den angeblichen Tagebüchern Adolf Hitlers zieht nun Bertelsmann nach.
NDR stellt gefälschte Hitler-Tagebücher online

Symbolbild von Pexels auf Pixabay

Nach dem Vorstoß des NDR zu den angeblichen Tagebüchern Adolf Hitlers zieht nun Bertelsmann nach. Wie der Konzern am Freitag in Gütersloh bekanntgab, will er den Umgang von Bertelsmann und dem Medienhaus Gruner + Jahr mit den Fälschungen von Konrad Kujau (1938-2000) durch das Institut für Zeitgeschichte in München untersuchen lassen. Die Federführung dafür liegt beim stellvertretenden Direktor des Instituts, Magnus Brechtken.

Die vermeintliche Sensation als Luftnummer

Am Donnerstag hatte der NDR die öffentlich bislang nicht zugänglichen Tagebücher online gestellt. Grundlage für dieses Projekt seien Kopien der 60 von Kujau vorgelegten Bände, hieß es. Versehen sind sie mit einem wissenschaftlichen Kommentar von Hajo Funke. Der Berliner Politikwissenschaftler bezeichnete die Tagebücher als einen “Ausdruck von Holocaustleugnung”. Sie hätten Hitler von den schlimmsten Verbrechen der Nazis freisprechen wollen.

Die Veröffentlichung der vermeintlich intimen Gedanken des Führers durch das Magazin “Stern” vor rund 40 Jahren war einer der größten Medienskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Reporter Gerd Heidemann (91) hatte den Kontakt zu Kujau hergestellt. Die Geschichte des Dritten Reiches müsse teilweise umgeschrieben werden, hieß es damals. Nur kurze Zeit später entpuppte sich die vermeintliche Sensation als Luftnummer.

Die millionenschwere Blamage lieferte Helmut Dietl das Material für seine Komödie “Schtonk!”, die 1992 in die Kinos kam. RTL verfilmte den Stoff 2021 als Miniserie unter dem Titel “Faking Hitler” mit Moritz Bleibtreu und Lars Eidinger in den Hauptrollen. Eine Inspiration für die Serie war der kurz vorher veröffentlichte Podcast “Faking Hitler” mit Originaltelefonaten zwischen Reporter Heidemann und Fälscher Kujau.

Tagebücher: Gespräch mit dem Bundesarchiv

Bereits im August 2022 hatte der Bertelsmann-Vorstand nach Angaben des Konzerns das Institut für Zeitgeschichte um eine unabhängige Aufarbeitung der Geschichte des “Stern” ab Gründung des Magazins durch Henri Nannen 1948 bis zu dessen Ausscheiden 1983 gebeten. Dieser Auftrag soll nun um den Umgang mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern erweitert werden.

“Wir wollen damit – durchaus auch in der aktuellen Debatte – einen objektiven, wissenschaftlichen Beitrag leisten”, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Bertelsmann sei “sehr wichtig, dass auch dieser Sachverhalt historisch seriös aufgearbeitet wird”. Im Zuge des Forschungsprojektes würden alle historisch relevanten Unterlagen von Gruner + Jahr beziehungsweise dem “Stern” ins Unternehmensarchiv von Bertelsmann nach Gütersloh überführt. Was den künftigen Verbleib der Hitler-Tagebücher anbelangt, suche man das Gespräch mit dem Bundesarchiv, sagte der Sprecher.

Der “Stern” hatte laut NDR bereits 2013 eine Freigabe der Originale an das Bundesarchiv zugesagt. Diese sei aber bis heute nicht erfolgt. Seit 1965 wird der “Stern” von Gruner + Jahr verlegt. Bertelsmann erwarb 1969 zunächst 25 Prozent an Gruner + Jahr und stockte diesen Anteil bis 1976 auf 74,9 Prozent auf. 2014 übernahm Bertelsmann die restlichen Anteile und wurde damit zum alleinigen Eigentümer. Seit dem 1. Januar 2022 ist Gruner + Jahr Teil von RTL Deutschland. Die RTL Group gehört zum Bertelsmann Konzernverbund.

Von Joachim Heinz (KNA)