Versammlungen und Papiere, dazu Briefe aus dem Vatikan und Tauziehen hinter den Kulissen. Der Synodale Weg stelle die Nerven Vieler auf die Probe. Nun ist er Geschichte. Das Ringen um Reformen in der Kirche geht weiter.
Frankfurt – Mehrmals stand der Dialog zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland auf der Kippe. Schon die zweite Vollversammlung des Synodalen Weges im Herbst 2021 wurde vorzeitig beendet: Das aus 230 Mitgliedern bestehende Gremium war wegen Abreise zu vieler Teilnehmer nicht mehr beschlussfähig. Aus anderen Gründen stand die vierte Synodalversammlung im Jahr darauf vor dem Aus: Nach intensiven Debatten scheiterte ein Text für eine Liberalisierung der katholischen Sexuallehre am Votum der Bischöfe. Frust und Enttäuschung machten sich breit, Tränen flossen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, nahm seine Mitbrüder vor den darauffolgenden Abstimmungen jedes Mal ins Gebet.
Synodaler Weg rstaunlich überlebensfähig
Bis zum Schluss an diesem Wochenende erwies sich das in der Weltkirche bis dahin einmalige Projekt – allen Unkenrufen zum Trotz – als erstaunlich überlebensfähig. Weder die Corona-Pandemie noch kritische Einlassungen aus dem Vatikan machten aus dem Synodalen Weg eine Sackgasse. Stattdessen sollen die Beratungen nun in einem Synodalen Ausschuss fortgeführt werden – während inzwischen viele Forderungen der Initiative auf Ebene der von Papst Franziskus einberufenen Weltsynode diskutiert werden.
Unter dem Eindruck einer jahrelangen Kirchenkrise, die der Missbrauchsskandal noch verschärfte, hatten die Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) den Synodalen Weg 2019 gestartet. Macht, Rolle der Frauen, Sexualmoral und priesterliche Lebensform lauteten die zentralen Themen. Die Hoffnungen bei Befürwortern waren ebenso groß wie Vorbehalte bei den eher konservativen Vertretern – von denen fünf unmittelbar vor der letzten Synodalversammlung das Handtuch warfen, weil sie die Einheit der katholischen Kirche in Deutschland mit Rom gefährdet sahen.
Spannungen bleiben. Mit Blick auf die Debatten und Beschlüsse des Synodalen Wegs formulierte es ZdK-Generalsekretär Marc Frings so: Obgleich es in der Synodalversammlung nie eine Fraktionsbildung gegeben habe, „erleben wir eben doch, dass die eine Seite massive Kompromisse eingegangen ist, die von grundsätzlicher und schmerzhafter Natur sind“. Bei einigen Bischöfen habe er keine Bereitschaft dazu erkennen können.
Kohlgraf weist Vorwürfe zurück
Den Vorwurf, die Bischöfe hätten die Beschlüsse verwässert, wies der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf zurück: „Ist es Sinn und Zweck, Schärfe drin zu lassen, dann aber auch Texte durchfallen zu lassen? Das ist eine Grundsatzentscheidung.“ Die Papiere bildeten ja nicht den Abschluss des Prozesses. „Mit den Aussagen dieser Texte wird gearbeitet werden – auch mit Kompromissen.“ Die Kompromissbereitschaft wertete der französische Beobachter des Synodalen Weges, Jerome Vignon, als ein Merkmal des oft beschworenen „Geistes von Frankfurt“. Er würdigte die Debattenkultur und ausdrücklich auch die spirituellen Impulse, die bei den Versammlungen durch die geistlichen Begleiter gesetzt wurden. Es sei „eine gute Nachricht, dass so etwas möglich ist“.
Zum Schluss überwogen trotz mancher persönlicher Enttäuschungen positive Töne. „Wir haben viele Texte verabschiedet, von denen ich am Anfang niemals gedacht hätte, dass wir sie mit so großen Mehrheiten verabschieden, vor allem nicht mit so großen Mehrheiten bei den Bischöfen“, sagte die Franziskanerin Katharina Kluitmann, die zu den prägenden Gestalten des Synodalen Weges gehörte. Ganz ähnlich formulierte es Bischof Bätzing. Einige der Papiere könnten das Leben an der Kirchenbasis tatsächlich verändern: Segensfeiern für liebende Paare, egal ob hetero- oder homosexuell, sind künftig möglich. Laien sollen auch in Gottesdiensten predigen können.
Die Synodale Isabella Vergata-Petrelli, die sich bei der ersten Synodalversammlung angesichts theologischer Fachdebatten noch gefragt hatte, ob „wir im Mittelalter sind“, bilanzierte: „Das miteinander Sprechen ist deutlich besser geworden.“ Auch die Sprache in den Texten habe sich in angenehmem Sinne vereinfacht. „Sie sind trotz der Komplexität der Themen für viel mehr Menschen jetzt verständlich.“
„Ich bin dankbar für die bedeutsamen Beschlüsse“
Die mit 19 Jahren jüngste Teilnehmerin, Johanna Müller, fasste es so zusammen: „Ich bin dankbar für die bedeutsamen Beschlüsse. Das Ja zur geschlechtlichen Vielfalt fand ich ein krasses, starkes Zeichen.“ Auf diesem letzten Treffen des Synodalen Weges rückte mit einer Tanz-Performance im Frankfurter Dom auch der Missbrauchsskandal noch einmal in besonderer Weise in den Mittelpunkt. Dass bis zum Schluss keine Betroffene stimmberechtigte Mitglieder in der Synodalversammlung waren, bleibt ein Makel der Initiative – den auch Bischof Bätzing ausdrücklich bedauerte.
Das Ringen um Reformen wird dessen ungeachtet weitergehen. „Jetzt geht es darum, die Beschlüsse umzusetzen. Das kann der Synodale Ausschuss nicht allein“, sagt Schwester Katharina, die dem neuen Gremium angehören wird. „Da sind die Bischöfe gefragt, aber auch jeder Christ und jede Christin.“
Die Voten des Synodalen Wegs im Überblick
Die fünfte und letzte beschlussfassende Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt (9. – 11. März) hat Beschlüsse zu Reformen in der katholischen Kirche gefasst. Insgesamt berieten die 210 Delegierten von Donnerstag bis Samstag zehn Papiere. Acht Texte wurden in Zweiter Lesung verabschiedet. Ein Text wurde zur Weiterbearbeitung in den noch zu gründenden Synodalen Ausschuss überwiesen. Ein Text passierte die Erste Lesung und ist deswegen noch nicht final beschlossen.
– Verabschiedet in Zweiter Lesung:
Für das Grundsatzpapier zur „Priesterlichen Existenz heute“ votierten 88,8 aller Delegierten und 76,9 Prozent der Bischöfe.
Der Handlungstext zur Prüfung einer Öffnung des Zölibats erzielte eine Mehrheit von 94,7 Prozent aller Delegierten und 89,8 Prozent der Bischöfe.
Dem Handlungstext zur Predigterlaubnis für Nicht-Geweihte stimmten 90,9 Prozent aller Delegierten zu und 88,7 Prozent der Bischöfe.
Für den Handlungstext zu Segensfeiern für homosexuelle Paare votierten 92,6 Prozent der Delegierten und 80,8 Prozent der Bischöfe.
Das Handlungspapier zu Missbrauchstätern wurde einstimmig beschlossen.
Für das Handlungspapier zu einem respektvollen Umgang mit Inter- und Transsexuellen stimmten 95,51 Prozent aller Synodalen; 84,44 Prozent der Bischöfe stimmten mit Ja.
Der Präambeltext mit dem Titel „Hören. Lernen. Neue Wege gehen“ wurde mit 97,25 Prozent angenommen; von den Bischöfen waren 91,3 Prozent dafür.
Der Handlungstext „Frauen in sakramentalen Ämtern – Perspektiven für das weltkirchliche Gespräch“ wurde mit 93,65 Prozent von der Vollversammlung angenommen. Von den Bischöfen stimmten 80,77 Prozent dafür, von den nicht-männlichen Synodalen 98,36 Prozent.
Für alle Beschlüsse in zweiter Lesung war jeweils eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Delegierten sowie eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Bischöfe erforderlich, Enthaltungen wurden dabei nicht gewertet.
– Verabschiedet in Erster Lesung:
– Ein Handlungstext zu „Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche“ fand in Erster Lesung eine Zustimmung von 100 Prozent.
– Vertagt:
– Den Handlungstext „Gemeinsam beraten und entscheiden“, in dem es um mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für Laien in sogenannten Synodalen Räten geht, überwies die Vollversammlung in den noch zu gründenden Synodalen Ausschuss. Dieser soll das Papier weiterentwickeln, um es mehrheitsfähig zu machen. Der Text stand eigentlich in Zweiter Lesung zur Abstimmung.