Es ist ein unerwartetes Versprechen im Koalitionsvertrag: CDU und SPD in Berlin wollen den Religionsunterricht zum ordentlichen Lehrfach machen. Damit würde eine langjährige Forderung der Kirchen umgesetzt.
Berlin – Zuletzt hatte es der Berliner Religionsunterricht vor 14 Jahren in die Schlagzeilen geschafft. Damals war es der christlichen Bürgerinitiative „Pro Reli“ nicht gelungen, ihn auf dem Wege eines Volksentscheids zum ordentlichen Lehrfach aufzuwerten. Es blieb – anders als in den meisten anderen Bundesländern – beim faktischen Status einer Arbeitsgemeinschaft. Der nun am Montag vorgestellte Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Berlin beschert der Initiative nun faktisch einen späten Erfolg.
„Wahlpflichtfach Weltanschauungen/Religionen“ als ordentliches Lehrfach
Unter mehr als 1.000 Einzelvorhaben sieht das Abkommen vor, ein „Wahlpflichtfach Weltanschauungen/Religionen“ als ordentliches Lehrfach einzuführen. Dabei könnten sich die Schülerinnen und Schüler zwischen Unterrichtsangeboten verschiedener Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften entscheiden, die das Fach inhaltlich gestalten. Das ordentliche Lehrfach Ethik soll nach dem Willen der geplanten großen Koalition in seiner bisherigen Form weiterbestehen.
Dies wäre zwar ein Unterschied zur Position von „Pro Reli“, der zufolge die Schülerinnen und Schüler zwischen gleichrangigen Fächern Ethik und Religion wählen sollten, der aus Sicht der Bürgerinitiative aber weniger ins Gewicht fallen dürfte. Ihr kam es vor allem darauf an, den Religionsunterricht aus der Ecke eines unverbindlichen Angebots an randständiger Stelle des Stundenplans zu holen.
Auch die Berliner CDU hatte sich diese Forderung zum Anliegen gemacht und seither in ihren Wahlprogrammen verankert. Mangels Unterstützung aus der SPD blieb es bisher beim Wunsch, auch als die Christdemokraten in Berlin mitregierten. Dass die Aufwertung des Religionsunterrichts es nun in den Koalitionsvertrag schaffte, ist deshalb eine unerwartete Wendung.
Kirchen begrüßen angestrebte Aufwertung des Religionsunterrichts
Wie sich der religiös und weltanschaulich geprägte Unterricht künftig in Berlin gestalten wird, ist noch offen. Dabei kann sich die Bildungspolitik auf den bereits bestehenden Religions- und Weltanschauungsunterricht stützen, den das Land Berlin in diesem Jahr mit 67 Millionen Euro fördert. Die Angebote werden derzeit von 44 Prozent der Schülerinnen und Schüler an den allgemeinbildenden Schulen besucht.
Bei den Teilnehmerzahlen ist im laufenden Schuljahr erstmals die Lebenskunde des Humanistischen Verbandes (72.260) am evangelischen Unterricht (69.125) vorbeigezogen und hat ihren steigenden Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Zum katholischen Unterricht kommen 20.048 Schülerinnen und Schüler, wie beim protestantischen seit Jahren mit fallender Tendenz. Zum islamischen sind 6.178 und zum jüdischen 995 Teilnehmende gemeldet. Der Religions- und Lebenskundeunterricht findet derzeit vor allem an den Grundschulen statt, im Fall der Kirchen und der jüdischen Gemeinde überdurchschnittlich in den Schulen in ihrer Trägerschaft.
Die Kirchen begrüßen die angestrebte Aufwertung des Religionsunterrichts nachdrücklich und bieten ihre Mitarbeit an. Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein erklärte, als ordentliches Lehrfach könne religiöse Bildung ein respektvolles Miteinander und Toleranz in Berlin fördern. Auch der katholische Erzbischof Heiner Koch würdigte das Vorhaben. Es könne dazu beitragen, dass schon Kinder und Jugendliche ihre religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen vertiefen und sich damit auseinandersetzen könnten.
Mitgliederbefragung und Parteitag
Ob der Koalitionsvertrag in Kraft treten kann, wird sich indes erst in rund drei Wochen entscheiden. Dann soll das Ergebnis einer Mitgliederbefragung der SPD vorliegen, anschließend ein CDU-Parteitag über das Abkommen abstimmen. Zwar dürften Themen wie Wohnungsbau, Verwaltungsreform und Innere Sicherheit beim Votum der Berliner Sozialdemokraten wichtiger sein als der Status des Religionsunterrichts. Die bislang starken Widerstände in Teilen der Partei gegen eine Besserstellung des Fachs könnte aber dennoch mit eine Rolle spielen.