Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat den Umgang der Kirche mit dem Thema Missbrauch kritisiert.
Berlin – Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat den Umgang der Kirche mit dem Thema Missbrauch kritisiert. Dadurch sei in einer immer vereinzelter wirkenden Gesellschaft der „Kitt“, den Kirche für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Stabilität leisten konnte, auf der Strecke geblieben, erklärte Claus im „Interview der Woche“ dem SWR-Hauptstadtstudio. Der SWR veröffentlichte das Interview am Donnerstag in seinem Podcast, am Samstag werde es im Rundfunk ausgestrahlt.
Die Aufarbeitung in der katholischen Kirche sei zwar professioneller geworden. Gleichzeitig bedeute das nicht, dass alles in guter Qualität passiere. Die Kirche habe bisher ein ethisches und moralisches Wächteramt gehabt, das sich durch den Missbrauchsskandal verschoben hätte. Dieses Wächteramt müsste nun eigentlich der Staat über die Kirche übernehmen, sagte Claus.
Die Missbrauchsbeauftragte warb dafür, die Anliegen und Perspektiven von Betroffenen zu berücksichtigen und ihre Rechte zu stärken. Dazu gehörten das Recht auf Akteneinsicht, auf Begleitung sowie das Recht auf Gegendarstellung bei einseitiger Dokumentation. Am Donnerstag hatte Claus angekündigt, im Juni einen Dialogprozess zu starten, um institutionsübergreifende Standards zur Beteiligung von Betroffenen an Aufarbeitungsprozessen zu entwickeln.
Es gebe eine Tendenz, durch die Einrichtung von Aufarbeitungs- und Wahrheitskommissionen einen Schlusspunkt setzen zu wollen, sagte Claus. Das werde den individuellen Bedürfnissen nicht gerecht. Gleichzeitig warnte sie davor, bei der Aufarbeitung nur die Institutionen wie Kirche und Sport in den Blick zu nehmen und dabei die Betroffenen zu vernachlässigen.