Religionsunterricht in NRW: Mehr Können, weniger Inhalte

: Die Grundschüler in Nordrhein-Westfalen sollen im Religionsunterricht zukünftig mehr Fertigkeiten wie Recherchieren lernen und dabei die Themen auf ihr Leben beziehen.
Mehr Können, weniger Inhalte: Die Grundschüler in Nordrhein-Westfalen sollen im Religionsunterricht zukünftig mehr Fertigkeiten wie Recherchieren lernen und dabei die Themen auf ihr Leben beziehen.

Symbolfoto: Pixabay

Religionsunterricht in der Schule ist in Nordrhein-Westfalen so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche – doch an dem in der Landesverfassung verankerten ordentlichen Schulfach gehen die gesellschaftlichen Veränderungen nicht vorbei. Viele Schüler gehören zwar der evangelischen oder katholischen Kirche noch an, aber Glaube und Kirche spielen in ihrem Leben kaum eine Rolle. Das hat Folgen für den Unterricht: Konnten früher religiöse Basics wie Bibel oder Zehn Gebote bei den Schülern eher vorausgesetzt werden, ist das längst nicht mehr der Fall. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Lehrpläne aller Fächer in der Grundschule reagiert das Schulministerium auf die neue Situation.

Neu ist auch, dass der Anteil christlicher Schüler stetig abnimmt. Dieses Schuljahr ist laut Statistischem Landesamt nur noch jedes zweite Kind in Nordrhein-Westfalen katholisch oder evangelisch. Für den Bereich der Grundschule bedeutet das, dass nur noch knapp 200.000 Kinder katholisch sind. In einigen Orten kommt mangels Schüler kein eigener katholischer oder evangelischer Religionsunterricht mehr zustande – und das seit 2018 eingeführte Modell des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts gewinnt immer mehr Bedeutung, bei dem Schüler beider Konfessionen gemeinsam in einer Gruppe lernen. Auch darauf reagiert der angepasste Lehrplan, der seit August 2021 gültig ist und wegen der Corona-Pandemie aber erst seit dem Schuljahr 2022/23 – beginnend mit der ersten Klassenstufe – umgesetzt wird.

Mit Blick auf den kooperativen Unterricht betont Katrin Holthaus, die das Referat Grundschulen im Erzbistum Paderborn leitet, dass die Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Pädagogen künftig einfacher werde. Denn die Themen und die Struktur seien in den Dokumenten beider Konfessionen ähnlich.

Der vorherige katholische Lehrplan von 2008 ging davon aus, dass die Schüler bereits in ihren Familien grundlegend religiös erzogen wurden, erläutert Holthaus. Der neue Plan berücksichtigt stärker, dass auch Kinder am katholischen Religionsunterricht teilnehmen, für die das Fach der erste und wichtigste Ort der Begegnung mit dem christlichen Glauben ist.

Neben den Inhalten lernen die Schüler auch Fertigkeiten wie Recherchieren. Diese können die Kinder an verschiedenen Themen erproben, beispielsweise bei einer digitalen Recherche zu Bausteinen des jüdischen Glaubens wie Thora und Synagoge. Auch ist es vorgesehen, dass alle Schüler einen katholischen Kirchenraum erkunden, allerdings können diese Begegnungen unterschiedlich gestaltet werden – je nach Schulort und Ideen des Lehrers.

Wichtig ist der Pädagogin Holthaus, dass im Religionsunterricht auch Phasen vorgesehen sind, die nicht durch Noten beurteilt werden. So sollen die Grundschüler in einem Gotteshaus auch einmal ausprobieren können, eine Kerze anzuzünden oder eine Gebetshaltung einzunehmen, und danach ihre Empfindungen reflektieren. „Wir wollen nicht bewerten, wer die Augen beim Beten schließt oder sonntags in die Kirche geht“, so Holthaus. Denn der Religionsunterricht sei keine Glaubensunterweisung.

Der neue Lehrplan bedeutet laut der Dortmunder Pädagogin und Dozentin Wiebke Mette für die Lehrkräfte eine große Herausforderung: „Der neue Lehrplan gibt viele Freiheiten. Aber die Lehrer müssen die Transferleistung schaffen – den Transfer von der Lehrplan-Theorie hin zum praktischen und für die Schüler relevanten Unterricht.“ Jede Grundschule muss einen sogenannten Arbeitsplan mit konkreten Unterrichtsinhalten erstellen – immer angepasst an die Schule vor Ort.

Auch einige Inhalte sind neu. Die Grundschüler sollen künftig etwa lernen, sich mit dem Konsumverhalten an christlichen Festen wie Weihnachten auseinanderzusetzen und die unterschiedlichen Vorstellungen von Geschlechterrollen zur Zeit Jesu zu beschreiben.

Bei aller thematischen Neuausrichtung bleibt Holthaus gelassen. Wenn sie den Religionslehrern in ihrer Diözese den neuen Lehrplan vermittelt, sei für sie immer ein Gedanke entlastend: „Jesus wird auch weiterhin auferstehen.“

Von Andreas Otto und Jannik Schwab (KNA)