Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Rückführung von in der Zeit des Nationalsozialismus gestohlenen Glocken nach Polen als „starkes und mächtiges Symbol“ gewürdigt.
Elblag – Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Rückführung von in der Zeit des Nationalsozialismus gestohlenen Glocken nach Polen als „starkes und mächtiges Symbol“ gewürdigt. Die Aktion sei ein Zeichen der Verbundenheit und Solidarität und ein Ausdruck der Sehnsucht der Völker nach Frieden, sagte Kretschmann am Samstag vor Journalisten im polnischen Elblag (Elbing).
Kretschmann begleitet an diesem Wochenende als Religionsbeauftragter der Landesregierung den Rottenburger Bischof Gebhard Fürst nach Polen. Im Rahmen des von Fürst gegründeten Projekts „Friedensglocken für Europa“ werden an diesem Wochenende drei Instrumente aus Pommern und dem Ermland feierlich ihren früheren Besitzern zurückgebracht. Das Projekt ist in dieser Form einmalig.
Ab 1940 wurden rund 100.000 Glocken in den früheren deutschen Ostgebieten und in besetzten Ländern abgehangen und der Rüstungsindustrie als Metallreserve zur Verfügung gestellt. Bei Kriegsende blieben 16.000 Glocken erhalten; die meisten kamen zurück in ihre Gemeinden. Rund 1.300 landeten zunächst auf dem Hamburger „Glockenfriedhof“ und wurden ab 1950 Kirchengemeinden in der Bundesrepublik überlassen.
Ausgangspunkt des Projekts waren Arbeiten am Geläut des Rottenburger Doms Sankt Martin. Damals stellte sich heraus, dass eine Glocke aus dem heutigen Polen stammt. Bei der danach gestarteten systematischen Untersuchung in allen katholischen Kirchen Württembergs zeigte sich, dass 66 weitere Instrumente vom „Glockenfriedhof“ stammen, von denen rund 50 noch benutzt wurden. Drei davon werden an diesem Wochenende an die katholischen Gemeinden in Straszewo (Dietrichsdorf) im Bezirk Pommern sowie in Frombork (Frauenburg) und Zegoty (Siegfriedswalde) im Bezirk Ermland-Masuren übergeben.
Für Kretschmann hat die Reise eine persönliche Dimension, weil seine Familie aus dem Ermland stammt. Während der Grünen-Politiker in Spaichingen auf die Welt kam, wurde seine beide älteren Geschwister im Ermland geboren. Ein drittes Geschwisterkind starb auf der Flucht. Kretschmann selbst kam in Spaichingen auf die Welt. Fürst liegt das Projekt am Herzen. Er spricht von „Friedensglocken, weil sie Symbole für die christliche Überzeugung der Geschwisterlichkeit aller Menschen sind“. Ziel des Projekts ist es, über die Rückgabe hinaus Begegnungen zu ermöglichen und einen Beitrag zur kirchlichen Friedensarbeit zu leisten.