Katholischer Theologe beklagt Blindheit gegen Machtmissbrauch

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Der katholische Theologe Richard Hartmann hat sich selbstkritisch zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche geäußert.
Der katholische Theologe Richard Hartmann hat sich selbstkritisch zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche geäußert.

Der Theologe Richard Hartmann –Foto: privat

Der katholische Theologe Richard Hartmann hat sich selbstkritisch zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche geäußert. Der “umfassende Machtmissbrauch” in sexueller Hinsicht und auch bei geistlicher Begleitung mache ihn sprachlos und hilflos, sagte Hartmann am Dienstagabend in Fulda bei seiner Abschiedsvorlesung laut Manuskript. Dieser Machtmissbrauch treibe auch ihm “Scham ins Gesicht, weil wir so blind dafür waren”, sagte der Pastoraltheologe. Hartmann fügte hinzu: “Diese systemische Blindheit hat echte Umkehrprozesse blockiert.”

Hartmann: Radikaler Relevanzverlust der Kirche.

Die Folgen zeigten sich in einem radikalen Relevanzverlust der Kirche. Die beiden großen Konfessionen erreichten weniger als 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Viele Christen auch aus dem kirchlichen Kernbereich hätten sich von den Kirchen abgewendet. Die Austrittszahlen hätten ungeahnte Höhen erreicht. “Ob für die Menschen damit Gott seine Relevanz verloren hat”, sei eine andere Frage. “Jedenfalls entscheiden sie sich, dass die Kirche für sie nicht notwendig ist.”

Hartmann sagte weiter, das “Normalprogramm der Kirche mit ihren Routinen” erreiche heute nur noch wenige Menschen. Es sei fraglich, ob das klassische theologische Modell der Kirche “mit den Sakramenten als zuverlässigen Ausdrucksformen des Heiligen” noch tragfähig sei.

„Tiefe Sehnsucht nach dem Heiligen“

Trotz einer großen Distanz zur Institution Kirche hätten viele Menschen jedoch eine “tiefe Sehnsucht nach dem Heiligen”, sagte der Theologe. Es gebe eine “Sehnsucht nach Berührungen mit dem Heiligen oder wenigstens einer transzendenten Deutung der Lebenserfahrungen”. In der Verkündigung und Praxis der Kirche werde es darauf ankommen, “die Nähe Gottes, des ewigen, heiligen und geheimnisvollen aufleuchten zulassen”. Schon der Theologe Karl Rahner (1904-1984) habe betont, der Fromme von morgen werde ein Mystiker sein, “einer der etwas erfahren hat”.

Hartmann war seit 2002 an der Theologischen Fakultät Fulda tätig. Der Professor für Pastoraltheologie und Homiletik in Fulda und dem Katholisch-Theologischen Seminar Marburg habe in den 21 Jahren seiner Tätigkeit eine ganze Generation von Theologiestudierenden geprägt, hieß es.

kna