Zur Aufarbeitung mehrerer Missbrauchsfälle aus den 1990er Jahren in der sächsischen Kirchgemeinde Kühnhaide-Pobershau hat eine unabhängige Aufarbeitungskommission ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Pobershau/Dresden – Zur Aufarbeitung mehrerer Missbrauchsfälle aus den 1990er Jahren in der sächsischen Kirchgemeinde Kühnhaide-Pobershau hat eine unabhängige Aufarbeitungskommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. In dem am Dienstagabend veröffentlichten Bericht gibt sie der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens eine Reihe von Empfehlungen. Dazu zählen eine intensive Aufarbeitung der in der Landeskirche bereits bekannt gewordenen Fälle sexualisierter Gewalt, der Aufbau von regionalen Interventionsteams sowie eine Etablierung unabhängiger Ansprechpersonen.
In der Kirchgemeinde Pobershau im Erzgebirge war der mutmaßliche Täter seinerzeit ehrenamtlicher Kantor. Er soll sich mehreren Mädchen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren “sexuell genähert” haben. Die Fälle wurden im Mai 2019 in der Gemeinde öffentlich gemacht. Strafrechtlich sind die Taten verjährt. Die Kommission bearbeitete die Vorfälle im Auftrag der Landeskirche seit Januar 2022. Sie sollte das Ausmaß feststellen, die Verantwortlichkeiten klären, begünstigende Strukturen aufdecken, Folgen für Betroffene sexualisierter Gewalt aufzeigen und Empfehlungen aussprechen. Dem Gremium gehörten eine Sozialpädagogin, ein Psychotherapeut, eine Traumatherapeutin und ein Rechtsanwalt an.
Sachsens Landesbischof Tobias Bilz dankte den Betroffenen für ihren Mut und ihre Bereitschaft zur Mitwirkung: “Sie haben verhindert, dass wir nur über sie reden, sie haben für Pobershau gedacht und gehandelt, obwohl Sie hier so viel Leid erlebt haben und inzwischen an ganz anderen Orten leben.” In der Beschäftigung mit den Missbrauchsfällen von Pobershau habe die Landeskirche sehr viel gelernt und dieser Lernprozess werde weitergehen: “Ich setze mich persönlich dafür ein, dass die Landeskirche sich den drei Bereichen Prävention, Intervention und Aufarbeitung intensiv widmet und diese stärkt.”
Weitere Empfehlungen der Kommission sind die Entwicklung einer Leitlinie für Aufarbeitungsprozesse. Intervention, Prävention und Aufarbeitung sollten als jeweils eigenes Aufgabenfeld in einer Fachstelle sexualisierte Gewalt verankert werden, inklusive einer ausreichenden personellen, zeitlichen und materiellen Ausstattung. Notwendig sei eine Vermittlung von Präventionszielen für Kinder und Jugendliche, Mitarbeitende und Kirchgemeinden.
Auch eine theologische Auseinandersetzung über den Umgang mit Schuld und Vergebung sei wichtig. Ebenso müsse das Thema sexualisierte Gewalt auch in der Ausbildung von Kirchenmitarbeitenden vorkommen. Nicht zuletzt ist der Kommission eine Anerkennung der Tatsache wichtig, dass sexuelle Gewalt auch heute in Einrichtungen der Landeskirche möglich sei. Zugleich weist das Gremium darauf hin, dass die Landeskirche seit dem Start der Kommission einiges unternommen habe, um Kinder und Jugendliche besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Die Kirchenleitung habe die Bedeutung des Themas erkannt und unter anderem ein Rahmenschutzkonzept erarbeitet.