Marx bittet um Verzeihung für Umgang mit Kriegsverbrechen

Für den Umgang mit einem deutschen Kriegsverbrechen in Italien hat der Münchner Kardinal Reinhard Marx Nachfahren der Opfer um Verzeihung gebeten.

Reinhard Kardinal Marx (Foto: Wolfgang Roucka/Erzbischöfliches Ordinariat München [CC BY-SA 3.0/Wikimedia])

Für den Umgang mit einem deutschen Kriegsverbrechen in Italien hat der Münchner Kardinal Reinhard Marx Nachfahren der Opfer um Verzeihung gebeten. Der spätere Münchner Weihbischof Matthias Defregger (1915-1995) war im Sommer 1944 als Hauptmann der Wehrmacht an der verbrecherischen Erschießung von 17 Bewohnern des Abruzzendorfes Filetto di Camarda beteiligt.

Marx empfing am Sonntagabend eine Abordnung aus Filetto und sagte, er bedaure außerordentlich, dass Defregger nach dem Krieg nicht den Mut gefunden habe, zu dieser verwerflichen Tat und zu seiner Schuld zu stehen. Als unzulänglich bezeichnete Marx auch das Agieren des Erzbistums München und Freising und seines Vorgängers Kardinal Julius Döpfner in der Angelegenheit.

Versuch der Zeugenbeeinflusung

Ein Bericht des „Spiegel“ über die Vergeltungsaktion für einen Partisanenüberfall und Defreggers kirchliche Karriere nach dem Krieg löste im Sommer 1969 einen internationalen Skandal aus. Er beschäftigte die Justiz in Deutschland und Italien, aber zu einer Anklage kam es nicht. Defregger berief sich auf Befehlsnotstand und beteuerte zeitlebens seine Unschuld. Nach Italien reiste er nicht mehr.

Döpfner ließ für die Hinterbliebenen der Erschossenen Spenden sammeln und in den Abruzzen mit weiteren Geschenken verteilen. „Man wollte ein bisschen Ruhe haben – so geht das nicht“, sagte Marx dazu. Nach Einstellung der Ermittlungen brach der Kontakt zwischen München und Filetto ab. Die Augsburger Historikerin Marita Krauss wertet diese Zuwendungen nach Auswertung von Archivakten des Erzbistums als Versuch der Zeugenbeeinflussung.

Die 17 Bewohnerinnen und Bewohner Filettos, die nach München gereist waren, bedankten sich mit Applaus für die Worte des Kardinals. Gradito Alloggia (78), der zwei Monate nach dem Massaker zur Welt kam und ohne Vater aufwachsen musste, erzählte Marx, wie er bereits als Kind seinen Hass auf die Deutschen und Defregger überwunden habe. Es gebe aber auch andere in Filetto, die bis heute der Meinung seien, die Deutschen seien schlechte Menschen, die andere einfach umbrächten: „Umso mehr freut es mich, dass wir jetzt hier sind und ein Zeichen setzen können.“

Eine völlig überflüssige Sache

Valentina Marcocci (16) sagte, nach ihrer Einschätzung war die Vergeltungsaktion der Wehrmacht in ihrem Dorf „eine völlig überflüssige Sache, die nur Hass erzeugt hat“. Sie hoffe, dass sich so etwas nie mehr wiederhole und wolle ihren Teil dazu beitragen, „dass wir in einer gerechteren Gesellschaft leben“.

Der Empfang war der Höhepunkt eines mehrtägigen Besuchs in Bayern. Die Italiener waren am Freitag nach Pöcking am Starnberger See gereist. Dort hatte Weihbischof Defregger bis zu seinem Tod 1995 gewohnt. Er ist dort als beliebter Seelsorger in Erinnerung, zu seinen Ehren wurde eine Straße benannt. Sie heißt nach einem Beschluss des Gemeinderats seit Ende Mai Filetto-Weg.

Eine Informationstafel erläutert die Hintergründe und listet alle 17 Ermordeten mit Namen auf. Vergangenes Jahr hatte eine Delegation aus Pöcking mit Bürgermeister Rainer Schnitzler erstmals an der Gedenkfeier für die Opfer in Filetto teilgenommen. Zum 80. Jahrestag des Massakers am 7. Juni 2024 wollen sie das wiederholen.

kna