Religionssoziologe Detlef Pollack hält den Synodalen Weg zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland für wenig erfolgversprechend.
Frankfurt – Religionssoziologe Detlef Pollack hält den Synodalen Weg zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland für wenig erfolgversprechend. „Mein Eindruck ist, dass viele Befürworter des Synodalen Wegs ein unterkomplexes Bewusstsein von der Reformierbarkeit ihrer Kirche haben“, sagte der Wissenschaftler der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Sie nehmen offenbar an, dass in dem Augenblick, wo sie bestimmte Sachen verändern – die kirchlichen Entscheidungen demokratisieren, den Zölibat abschaffen -, die Kirche wieder anschlussfähig wird an die moderne Gesellschaft. Dabei vergessen sie, dass das Christentum aus der Vormoderne stammt und manches nicht veränderbar ist, ohne das Innere der Kirche anzutasten.“
Gerade der Katholizismus beruhe auf einer scharfen Unterscheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen, betonte Pollack. „Das Heilige und die Sakramente werden abgeschirmt von der Welt durch heilige Zeiten, heilige Räume, heilige Gefäße und durch das Priesteramt.“ Das sei über Jahrhunderte verbindlich gelebt worden. Jüngere Umfragen zeigten allerdings, dass der Sinn für das Heilige unter Katholiken beinahe völlig verschwunden sei. Man werde Zeuge einer Erosion der katholischen Kirche, „die in ihren inneren Strukturen in Deutschland im Augenblick zusammenbricht“. Weiter sagte Pollack: „Der Missbrauch kommt noch mal obendrauf zur stetigen Erosion der Religion und erklärt den gegenwärtig enorm hohen Anstieg der Austrittszahlen.“
Pollack: Kirchen seit 1960er-Jahren auf Rückzug
Der Mitgliederschwund bei den beiden großen Kirchen in Deutschland hat nach Ansicht von Religionssoziologe Detlef Pollack nicht nur mit dem Missbrauchsskandal zu tun. „Im Kern kämpfen die Kirchen bis heute mit dem Kulturbruch, den ich auf die Sechzigerjahre datieren würde“, sagte Pollack in dem Interview.“Damals breitete sich der Wohlstand aus, und die Konsumkultur konnte sich richtig etablieren. Breite Teile der Bevölkerung begannen, den Kompass ihres Lebens auf Selbstverwirklichung und Erlebnismöglichkeiten auszurichten“, erläuterte der Wissenschaftler.
Die Kirchen hätten das Problem seinerzeit schon begriffen. „Das hat ihnen aber nicht geholfen. Denn Sie können den christlichen Glauben nicht völlig individualisieren.“ Religion und Moderne stünden in einer „sehr grundsätzlichen Spannung“. Kirchen bräuchten einerseits positive Bezüge zur Mehrheitskultur, dürften andererseits aber nicht unterschiedslos in ihr aufgehen, umschrieb Pollock das Dilemma. Trotzdem sei es wichtig, „bei aller Betonung der Differenz“ Brücken zur Moderne zu schlagen, etwa zu Musik oder Politik. Ganz verschwinden würden Kirchen nicht, fügte Pollack hinzu. „Ich kenne keinen Landstrich auf der Welt, in dem es keine Religion gibt.“