Für die Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle hält die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung die Einrichtung eines Landesbetroffenenrats für sinnvoll.
Düsseldorf – Für die Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle hält die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung die Einrichtung eines Landesbetroffenenrats für sinnvoll. „Ohne das Erfahrungswissen von Betroffenen fehlt uns eine elementare Perspektive, um politisches Handeln zielgerichteter auszurichten“, sagte Kerstin Claus der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Gesetze zum Kinder- und Jugendschutz seien häufig Ländersache. In NRW gibt es derzeit eine Diskussion darüber, ob ein solches Gremium eingerichtet werden soll.
Die SPD-Landtagsfraktion hatte sich im Frühjahr in einem Antrag für die Einrichtung eines Landesbetroffenenrats eingesetzt. Dieser solle Ansprechpartner für Betroffene sein und deren Anliegen in die Öffentlichkeit tragen. Das Gremium solle sich zusätzlich zum Betroffenenrat auf Bundesebene etablieren, da dieser inzwischen an seine Belastungsgrenze stoße. Kurze Zeit später brachten die Regierungsfraktionen CDU und Grüne sowie die FDP-Fraktion einen Antrag ein, dass der Kinderschutz durch die Stelle eines oder einer unabhängigen Beauftragten gestärkt werden solle.
Claus warnte davor, bei Fragen des Missbrauchs nur den Kinderschutz im Blick zu haben. Kinderschutzbeauftragte und Betroffenenrat ergänzten sich nicht immer ideal. „Wir erleben immer wieder, dass die spezifische Form der sexuellen Gewalt nicht mitgedacht wird, wenn es allgemein um Kinderschutz geht“, sagte sie. „Außerdem geht dann der Blick auf die Hilfeangebote für Erwachsene verloren.“ Daher müsse entweder das Amt einer Kinderschutzbeauftragten mit einer zweiten Säule versehen werden, die sich sexueller Gewalt in der gesamten Lebensspanne annehme. Oder es brauche das Amt einer oder eines Missbrauchsbeauftragten für NRW.
Ein Betroffenenrat dürfe nicht als „Interessenvertretung“ Betroffener missverstanden werden, so Claus. „Was geleistet werden kann, ist professionelle Beratung, auch wenn sie ehrenamtlich geschieht.“ Ein Rat müsse möglichst divers aufgestellt werden. Die Entscheidung für ein solches Gremium bezeichnete sie als politische Selbstverpflichtung – „denn ein Betroffenenrat muss unbequem sein können“.