Ärzteorganisation klagt wegen Triage in Karlsruhe

Darf eine medizinische Behandlung abgebrochen werden, wenn ein sterbender Mensch intensivmedizinisch betreut wird und ein anderer Patient mit größeren Chancen auf eine Behandlung wartet?
Ärzteorganisation klagt wegen Triage in Karlsruhe

(Symbolfoto: pixabay)

Darf eine medizinische Behandlung abgebrochen werden, wenn ein sterbender Mensch intensivmedizinisch betreut wird und ein anderer Patient mit größeren Chancen auf eine Behandlung wartet? Wegen dieser Frage will die Ärzteorganisation Marburger Bund vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wie sie am Donnerstag in Berlin mitteilte.

Die Klage richtet sich gegen eine im November 2022 vom Bundestag verabschiedete Reform des Infektionsschutzgesetzes zur sogenannten Triage. Dabei geht es um die Frage, wer überlebenswichtige Geräte wie etwa ein Atemgerät oder ein Intensivbett erhält, wenn nicht genügend Ressourcen für alle Patienten vorhanden sind.

Der Bundestag hatte unter dem Eindruck einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens in der Corona-Pandemie beschlossen, dass künftig allein die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit lebensbedrohlich erkrankter Menschen den Ausschlag dafür geben sollte, wer bei begrenzten Kapazitäten intensivmedizinisch behandelt wird. Alter oder Behinderung sollen demnach kein Kriterium für eine Negativauswahl sein.

Zusätzlich beschloss der Bundestag ein Verbot der sogenannten „Ex-post-Triage“. So wird verhindert, dass eine bereits laufende Behandlung abgebrochen wird, wenn ein anderer Patient bessere Überlebenschancen hat. Gegen diese schon damals umstrittene Regelung wendet sich nur der Marburger Bund.

Die entsprechende Gesetzesänderung habe bei vielen Ärztinnen und Ärzten auf Intensivstationen und in Notaufnahmen zu Verunsicherungen und Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen geführt, erklärte die Ärzteorganisation. Es gehe dabei im Wesentlichen um die Frage, ob das Verbot der Ex-post-Triage mit der grundrechtlich geschützten ärztlichen Therapiefreiheit kollidiere, die das Überleben möglichst vieler intensivpflichtiger Patienten zu erreichen versucht.

Die Erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, sagte dazu, das vom Bundestag beschlossene Verbot der Ex-Post-Triage könne dazu führen, dass Menschen mit höherer Überlebenswahrscheinlichkeit sterben, weil sie keine intensivmedizinischen Ressourcen bekommen, die ein anderer Patient mit aktuell deutlich schlechteren Überlebenschancen in Anspruch nimmt. Das widerspreche dem ärztlichen Ethos und dem Grundrecht der Berufsfreiheit. „Das Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit muss für alle Patienten gelten, die die knappe Behandlungsressource brauchen.“

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber Ende 2021 aufgefordert, unverzüglich Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderung bei Triage-Entscheidungen in Pandemie-Situationen zu treffen. Das führte zu dem entsprechenden Gesetz.

kna