Kurienkardinal Czerny: Wirtschaft denkt seit 200 Jahren zu kurz

Die sich verschärfenden globalen Probleme verlangen nach Worten des vatikanischen Entwicklungsministers eine neue humanistische Wirtschaftsmentalität.
Kurienkardinal Czerny: Wirtschaft denkt seit 200 Jahren zu kurz

Symbolbild von Tom Rongen auf Pixabay

Die sich verschärfenden globalen Probleme verlangen nach Worten des vatikanischen Entwicklungsministers eine neue humanistische Wirtschaftsmentalität. Sie müsse die Trennmauer zwischen Wirtschaft und gesellschaftlichem Gemeinwohl niederreißen, sagte Kurienkardinal Michael Czerny am Freitag laut Redemanuskript in Aachen. Czerny wurde dort für seinen Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte mit dem Klaus-Hemmerle-Preis der internationalen Fokolar-Bewegung geehrt.

Schonungslose und kurzsichtige Gewinnmaximierung ohne Rücksicht auf andere Erwägungen seien ein Missverständnis von Wirtschaft, Entwicklung und Fortschritt, so der Leiter der Vatikanbehörde für menschliche Entwicklung. “Seit mehr als 200 Jahren verfolgen die modernen Volkswirtschaften in kurzsichtiger Weise ein extraktives Modell für unbegrenzte wirtschaftliche Expansion”. Dabei plünderten sie sowohl Menschen als auch die Natur aus, so der Kardinal.

Globale Richtungsänderung notwendig

Eine globale Richtungsänderung sei daher dringend notwendig. Jeder könne dazu beitragen, “unseren Fokus von Profit auf Wohlstand, von Wirtschaftswachstum auf Nachhaltigkeit und von Materialität auf Menschenwürde” zu verlagern. Genau dies sei das Anliegen wichtiger Lehraussagen von Papst Franziskus.

Der Münchner Sozialwissenschaftler und Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher hielt die Laudatio auf Czerny. Franziskus’ Vision globaler Geschwisterlichkeit sei in Verbindung mit dem Gemeinwohlprinzip ein sehr überzeugendes Leitmotiv einer an die aktuellen Herausforderungen aktualisierten Soziallehre, so Wallacher laut Manuskript.

Verbunden mit den Hoffnungsvisionen des Christentums und anderer Religionen lasse sich damit die notwendige Motivation generieren, den globalen Probleme zu begegnen. “Gemeingüter wie erträgliches Klima, gesunde Böden, funktionierende Wasserversorgung, ökologische und kulturelle Vielfalt, Wissen, Technologie und öffentliche Infrastruktur, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Vertrauen und verlässliche Vereinbarungen können nie allein durch Eigennutz entstehen oder erhalten werden”, so der Wissenschaftler.

Vision neuer globaler Geschwisterlichkeit

Der unkontrollierte Markt versage, weil die Anreize zu groß seien, Kosten abzuwälzen oder Trittbrettfahrer anzulocken. Dagegen brauche es die “Vision einer neuen globalen Geschwisterlichkeit”, wie sie Franziskus 2020 in seiner Sozialenzyklika “Fratelli tutti” formuliert habe.

Der Klaus-Hemmerle-Preis ist undotiert und wird seit 2004 alle zwei Jahre vergeben. Er erinnert an den früheren Aachener Bischof Hemmerle (1929-1994). Die Fokolar-Bewegung – eine religiöse Laien-Gruppierung mit weltweit rund 120.000 Mitgliedern – ehrt damit nach eigenen Angaben Persönlichkeiten, die als Brückenbauer den Dialog zwischen den Kirchen, Religionen und Weltanschauungen fördern.

kna