In einer Welt voll Krieg und Hass kann die Wissenschaft nach Ansicht des Vatikanischen Chef-Astronomen ein Vorbild für friedlichen Umgang sein.
Vatikanstadt – In einer Welt voll Krieg und Hass kann die Wissenschaft nach Ansicht des Vatikanischen Chef-Astronomen ein Vorbild für friedlichen Umgang sein. „Die Wissenschaft zeigt, wie wir fruchtbar miteinander streiten können“, sagte der Direktor der Vatikanischen Sternwarte, Guy Consolmagno, am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom. Als Beispiel nannte der Jesuit den Kongress „Schwarze Löcher, Gravitationswellen und Raum-Zeit-Singularitäten“, der vom 16. bis 21. Juni in der Vatikanischen Sternwarte in Castel Gandolfo stattfindet.
„Da treffen 40 Leute aufeinander, die 40 verschiedene Ansichten über Gravitationswellen und Quantentheorie haben“, so der Kosmologe. „Aber wir sprechen miteinander und hören einander zu, denn jeder von uns weiß: Wir haben nicht alle Antworten.“
„Von dieser Demut, zu sagen: vielleicht irre ich mich, vielleicht kann ich hier noch was lernen, könnten Leute jeder politischen Partei und jedes religiösen Glaubens profitieren. Denn ich muss nicht immer Recht haben“, so der Priester. „Tatsächlich wird man niemals etwas lernen, wenn man nicht zuerst zugibt: Ich weiß längst nicht alles.“
An dem Kongress zu Ehren des belgischen Priesters und Astronomen Georges Lemaitre (1894-1966), der als Begründer der Urknalltheorie gilt, nehmen zudem rund 150 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen online teil. Man sei bemüht, Fachleute aus allen Ländern dabei zu haben, sagte Consolmagno, „denn es wird gerade überall auf der Welt brillante Wissenschaft betrieben“. Auch Experten aus Russland seien eingeladen, doch wegen der aktuellen Situation habe es kaum Rückmeldungen gegeben, so der US-Amerikaner.
Consolmagno lebt jeweils die Hälfte des Jahres in Castel Gandolfo und in Arizona, wo der Vatikan ein Weltraumteleskop betreibt. Seine Arbeit begeistere ihn nach wie vor, so der Forscher, der seit über 30 Jahren an der Vatikanischen Sternwarte tätig ist. „Das ist der Traum jedes Astronomen, in der Lage zu sein, über das Universum nachzudenken“, sagte der 71-Jährige.
Als Wissenschaftler im Vatikan habe man nicht den Druck, sich über die Finanzierung durch Regierungen und andere Förderer sorgen zu müssen. „Wir sind in der Lage, unsere Forschung durchzuführen, egal, wohin sie uns führt, egal, wie lange wir brauchen, um zum Ziel zu gelangen“, sagte Consolmagno. „Es ist die wundervollste Institution, die ich mir vorstellen kann, um reine Wissenschaft zu betreiben.“