Der Papst predigt Reformen

Franziskus schwört die Amazonas-Synode auf Veränderungen ein: Die Synode soll auf Umweltzerstörung in Südamerika, soziale Probleme und seelsorgliche Herausforderungen antworten. Nach dem Willen des Papstes muss die Kirche sich bewegen – auch um den Preis von Konflikten.

Mit einem Plädoyer an die Bischöfe hat Papst Franziskus am Sonntag die Sondersynode für das Amazonasgebiet eröffnet. Drei Wochen lang beraten die Hirten aus Südamerika gemeinsam mit Ordensleuten, Indigenen-Vertretern und Experten über Reformen des kirchlichen Lebens, aber auch über Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in der ressourcenreichen Region. Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro und andere Verfechter industrieller Interessen betrachten das Treffen als Einmischung; kircheninterne Kritiker fürchten eine Preisgabe von Glaubensinhalten.

Papst Franziskus (Archivfoto: © Palinchak | Dreamstime.com)

Bei der Eröffnungsmesse im Petersdom machte der Papst deutlich, dass er Veränderungen erwartet. Wenn alles so bleibe wie bisher, werde die eigentliche Berufung der Kirche „unter der Asche der Ängste und der Sorge erstickt, den Status quo zu verteidigen“. Die Kirche dürfe sich „keinesfalls auf eine Pastoral der Aufrechterhaltung beschränken“ – ein Zitat Benedikts XVI., das wohl Kritikern des amtierenden Papstes ein wenig Wind aus den Segeln nehmen sollte. Franziskus wörtlich: „Jesus ist nicht gekommen, um die Abendbrise, sondern um das Feuer auf die Erde zu bringen.“

Die Dringlichkeit der Anliegen, denen sich die Synode widmen will, wird aus dem zweiten und zentralen Teil ihres Arbeitsdokuments deutlich. Unter dem Titel „Ganzheitliche Ökologie: Der Schrei der Erde und der Armen“ geht es um Themen wie Raubbau durch Großkonzerne, die Bedrohung indigener Völker, Neokolonialismus und Zwangsmigration.

Indigenen-Vertreter wie Adriano Karipuna erwarten Rückhalt von der katholischen Kirche. Im Vorfeld der Synode beklagte der junge Stammes-Chef eine systematische Missachtung der Mitbestimmungsrechte und den Entzug der Lebensgrundlage von Indigenen durch Brandrodung, vergiftete Flüsse und Landraub. Der Großteil der Exporte von Rohstoffen, aber auch von Soja und Rindfleisch im brasilianischen Amazonasgebiet geschehe „unter Ausbeutung der Völker, die dort leben“. Widerstand hat seinen Preis: „Viele Häuptlinge wurden schon getötet“, so Karipuna.

Franziskus hatte am Sonntag etliche Diplomaten der Amazonas-Staaten vor sich im Petersdom, als er erklärte, dass er den Platz der Kirche an der Seite der Armen sieht. Viele Menschen im Amazonasgebiet trügen schwere Kreuze und hofften auf den „befreienden Trost des Evangeliums“. Mit jenen, „die jetzt ihr Leben opfern“, wolle die Kirche gemeinsam gehen.

Angesichts solcher sozialer Akzente sehen manche die Befreiungstheologie wiedererstehen. Tatsächlich nimmt das Synodenprogramm entsprechende Fäden wieder auf, nicht zuletzt mit der „Option für die Armen“. Der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Michael Heinz, rechnet mit einer kontroversen Debatte. Unter den lateinamerikanischen Bischöfen seien die Ansichten ebenso verschieden wie in Europa, sagte er im Vorfeld; konservative Kräfte würden während der Synode „bremsen“.

Besonders heikel wird die Frage sein, wie die Kirche in Amazonien den vom Papst gewünschten „missionarischen Schwung“ entfalten kann. Zur Debatte stehen alternative Formen von Gemeindeleitung in den oft entlegenen Gebieten, eine Übertragung priesterlicher Aufgaben an Familienväter sowie neue Ämter für Frauen. Für konservative Katholiken ein Rotes Tuch.

Auf ähnliche Skepsis stößt auch die Öffnung gegenüber indigenen Traditionen. In seiner Predigt bekannte der Papst Verfehlungen früherer Missionsmodelle: Oft sei die Frohe Botschaft „nicht angeboten, sondern aufgezwängt worden“. Am Freitag nahm er an einem Schöpfungsgebet mit indigenen Riten und Gesängen lateinamerikanischer Katholiken in den vatikanischen Gärten teil. Europäische Glaubensbrüder wittern darin einen Einbruch des Heidnischen in die Kirche.

Im Eröffnungsgottesdienst, der zu Teilen auf Latein und ohne wesentliche Präsenz von Indigenen stattfand, appellierte Franziskus an die Bischöfe, sich „in Feinfühligkeit für die Neuheit des Geistes zu entscheiden“. Die Gottesdienstgemeinde rief die Heiligen um Beistand an. Unterdessen veranstalteten konservative Katholiken um US-Kardinal Raymond Leo Burke (71) einen „Gebetskreuzzug“, um die Synode von Häresien abzuhalten. Gebet gegen Gebet.