Generalvikar Pfeffer und Personaldezernent Reinhold stellten sich den Fragen der Wattenscheider Gemeinde St. Joseph zum Fall des vorbestraften Priesters A.
Detaillierte Informationen und ein kritischer Rückblick auf die Aufnahme eines wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraften Priesters ins Bistum Essen standen am Mittwochabend im Mittelpunkt eines Gespräches zwischen Generalvikar Klaus Pfeffer, Personaldezernent Kai Reinhold und den Gremien der Pfarrei St. Gertrud in Bochum-Wattenscheid.
Der heute 86-jährige Priester A. aus dem Erzbistum Köln hatte im Jahr 2002 als Ruhestandsgeistlicher seinen Wohnsitz ins Bistum Essen verlegt und in der Gemeinde St. Joseph in Wattenscheid ohne offizielle Beauftragung priesterliche Dienste übernommen. Mitglieder und Verantwortliche der Gemeinde hatten in den vergangenen Tagen kritisiert, Bistumsverantwortliche hätten wider besseren Wissens die Gemeinde im Unklaren über die Vorgeschichte des Priesters A. gelassen.
A. war 1972 wegen „fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen“ zu einer Haftstrafe und 1988 wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Jeweils anschließend wurde er an eine andere Einsatzstelle zunächst im Erzbistum Köln, später ins Bistum Münster versetzt. Als 65-jähriger wechselte A. auf eigenen Wunsch in den Ruhestand nach Bochum-Wattenscheid. Gemeindemitglieder, denen A. bekannt war und die von den Missbrauchsverurteilungen wussten, informierten damals das Bistum Essen.
Die Personalverantwortlichen nahmen laut Schilderung des Bistum Essen mit dem Erzbistum Köln Kontakt auf und erhielten die mündliche Bestätigung der Vorgeschichte von A.. Daraufhin sei eine psychologische Beurteilung durch den langjährigen Therapeuten des Geistlichen eingeholt worden, die bescheinigte, dass von A. keine Gefahr mehr ausgehe. Die seinerzeit Personalverantwortlichen informierten die Gemeindeleitung in Wattenscheid. Eine Beauftragung zur Mithilfe als Ruhestandsgeistlicher in der Seelsorge erhielt A. nicht. Aufgrund der fachärztlichen Einschätzung sei allerdings kein Anlass gesehen worden, ihm die Ausübung priesterlicher Dienste generell zu verbieten. Bis zu seinem Umzug in ein Seniorenheim im Jahr 2015 hat A. deshalb als Ruhestandsgeistlicher priesterliche Dienste in Wattenscheid übernommen.
„Aus heutiger Perspektive war es ein verheerender Fehler, einen mehrfach verurteilten Missbrauchstäter seelsorgliche Dienste tun zu lassen“, stellte Generalvikar Klaus Pfeffer klar. Dieser Fall bestätige in erschreckender Weise, dass es rückblickend auch im Bistum Essen im Umgang mit sexueller Gewalt schweres Versagen gegeben habe. „Ein mehrfach vorbestrafter Missbrauchstäter darf nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden“, betonte Pfeffer.
Diese Einsicht sei allerdings erst in den letzten Jahren gewachsen – „und das war viel zu spät“, so der Generalvikar weiter. „Für das Bistum Essen bitte ich ausdrücklich alle um Entschuldigung, die sich jetzt hintergangen oder betrogen fühlen, weil sie einem Priester vertraut haben, ohne von dessen dunkler Vorgeschichte zu wissen“, sagte Pfeffer. „Wir hoffen sehr, dass die therapeutische Einschätzung aus dem Jahre 2002 zutrifft und es keine Opfer übergriffigen und missbräuchlichen Verhaltens durch A. im Ruhrbistum gegeben hat.“ Ausdrücklich forderte er aber mögliche Betroffene auf, sich bei den unabhängigen Missbrauchsbeauftragten zu melden.
Im Zuge der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals des Jahres 2010 hatte das Bistum Essen in den zurückliegenden Jahren bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen. Im Jahre 2013 wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Aufsicht über alle noch lebenden Missbrauchstäter im Ruhrbistum – unter ihnen auch A. – koordiniert. Seit Anfang 2015 wurden im Rahmen dieser Aufsicht verpflichtende Gespräche mit allen Missbrauchstätern von einem psychologisch ausgebildeten Ordensmann geführt – so auch mit A. Das im Jahr 2015 bei einer externen Anwaltskanzlei in Auftrag gegebene Personalakten-Projekt des Bistums Essen sah bei A. als im Seniorenheim lebenden Ruheständler des Erzbistums Köln zunächst keinen weiteren Handlungsbedarf.
Damals habe der Personaldezernent des Bistums Essen aufgrund der Bearbeitung des Falls Kontakt mit den Personalverantwortlichen des Erzbistums Köln aufgenommen, um zu klären, ob seinerzeit ein kirchenrechtliches Verfahren gegen A. durchgeführt worden sei. Die Einleitung eines solchen Verfahrens ist den Angaben zufolge „zwischenzeitlich erfolgt“. Zudem hat der Erzbischof von Köln ihm die Ausübung aller priesterlichen Dienste untersagt.
Personaldezernent Kai Reinhold stellte klar, dass für den Umgang mit Missbrauchstätern heute grundsätzlich andere Maßstäbe gelten: „Wer sich nachweislich des sexuellen Missbrauchs schuldig macht, kann nicht mehr seelsorglich eingesetzt werden und alle priesterlichen Dienste müssen ihm untersagt werden.“ Bischof Overbeck habe zudem entschieden, dass vorbelastete Priester aus anderen Bistümern schon heute nicht mehr in das Bistum Essen aufgenommen würden. Grundsätzlich verlangten der Bischof und die Personalverantwortlichen ab sofort den vollständigen Einblick in die Personalakte eines Priesters, der im Bistum Essen tätig werden soll.
Für Generalvikar Klaus Pfeffer macht dieser Fall deutlich, „dass es weiterer erheblicher Anstrengungen bedarf, um den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche aufzudecken und aufzuklären“. „Dies sind wir den vielen Opfern schuldig“, so Pfeffer weiter. Für die Fehler und Versäumnisse in der Vergangenheit könne er als Generalvikar nur aufrichtig um Entschuldigung bitten – bei den Opfern, die bis heute unter den Folgen des Missbrauchs leiden, aber auch bei den Menschen in der Gemeinde St. Joseph, die jahrelang über die Vergangenheit von A. nichts wussten. „Ich will weiter alles dafür tun, dass wir uns in unserer Kirche radikal unseren dunklen Seiten stellen – und alles auf den Prüfstand stellen, was zu den Verbrechen beigetragen hat, die bei uns geschehen sind.“
Am Sonntag, 24. November, wird Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck um 11 Uhr mit der Gemeinde St. Joseph in Bochum-Wattenscheid eine heilige Messe feiern und danach auch das Gespräch mit der Gemeinde suchen.
Das Bistum Essen bittet darum, dass sich weitere Betroffene bei den unabhängigen Beauftragten für die Prüfung von Vorwürfen sexualisierter Gewalt melden: Ansprechpartner: Angelika von Schenk-Wilms (0151 571 500 84) und Karl Sarholz (0171 3 16 59 28)