Erfurt –Der katholische Moraltheologe Thomas Bahne hat angesichts der Corona-Krise vor einem medizinischen Selektionsprozess gewarnt. „Während die Triage im Alltag der klinischen Notaufnahmepraxis zur Ersteinschätzung der Behandlungsdringlichkeit dient, wird sie im Ausnahmezustand der Corona-Pandemie zu einem selektiven Instrument der ärztlichen Entscheidung darüber, wer (weiter-)beatmet und wer palliativmedizinisch zum Sterben begleitet wird“, schrieb Bahne am Dienstag im Blog der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.
Die sogenannte Triage teilt Erkrankte und Verletzte nach Schwere ihrer Verletzungen ein und beschreibt damit die Priorisierung medizinischer Hilfeleistung. „Das die Triage leitende medizinethische Prinzip soll die Gerechtigkeit sein, wenn Ärzte über einen Verzicht oder Abbruch intensivmedizinischer Maßnahmen nach medizinischen Kriterien entscheiden“, schreibt Bahne.
Das Gute dürfe jedoch nicht auf Kosten des Gerechten verwirklicht werden, führt der Moraltheologe aus: „Gemäß dieser Präferenzregel in ethischen Konfliktfällen erfährt die Hilfeleistung für den einen dort ihre Grenze, wo das fundamentale Recht eines anderen auf Weiterbehandlung verletzt wird, insbesondere wenn es sich um eine vulnerable Person handelt, die ihre Ansprüche nicht aus eigener Kraft geltend machen kann.“ Es sei das „Dilemma der Triage“, dass sie die Schwächsten nicht schütze.
Bahne verwies darauf, dass italienische und französische Intensivmediziner teils schon Altersgrenzen für die Beatmung von Covid-19-Erkrankte eingeführt hätten. „Diese Praxis ruft verfassungsrechtlich wie medizinethisch nach einer Intervention, da sie die gleiche unveräußerliche Würde des Menschen sowie sein basales Schutzrecht gegen (Alters-)Diskriminierung verletzt“, kritisierte der Moraltheologe.