Streit über Wiederaufnahme von Gottesdiensten in Italien

Unterschiedliche Vorstellungen über Lockerungen ab dem 4. Mai

Viele Stimmen in der katholischen Kirche Italiens fordern eine rasche Rückkehr zur Normalität nach dem Lockdown. Doch die Regierung befürchtet einen Wiederanstieg der Infektionszahlen.

Ministerpräsident Giuseppe Conte versucht, bis Ende dieser Woche die Grundzüge für ein ausgewogenes Lockerungskonzept vorzulegen, das ganz Italien gerecht wird. (Foto: © Cellai Stefano | Dreamstime.com)

Als sich Italiens Bischöfe im März dazu durchrangen, das von der Regierung erlassene Verbot öffentlicher Gottesdienste mitzutragen, kam das nicht überall gut an. Viele Priester und Gläubige im Land halten die Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie nach wie vor für überzogen und sind uneinsichtig. Manch einer hätte sich schon damals stärkeren Protest gewünscht. „Es gibt viele Orte, an denen überhaupt keine Ansteckungsgefahr besteht. Trotzdem dürfen die Leute nicht in die Messe gehen. Das ist doch lächerlich“, kritisierte etwa Franz Xaver Brandmayr, Rektor der deutschsprachigen Anima-Kirche nahe der Piazza Navona in Rom.

Kritik an Bischöfen

Noch deutlicher wurde Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio: Die Bischöfe hätten klein beigegeben, weil sie in der Krise keinen zusätzlichen Streit beginnen wollten, schimpfte er. „Nie in der Geschichte Italiens sind je Messen ausgesetzt worden“, so der Historiker. „In Krisenzeiten war die Kirche immer ein wichtiger Bezugspunkt. Wie 1943 bis 1945, angesichts der deutschen Besatzung und Gewalt.“

Und Kurienkardinal Raymond Burke schrieb auf seiner Website: „In unserer völlig säkularisierten Kultur gibt es die Tendenz, Gebet, Andacht und Messen als gewöhnliche Freizeitaktivitäten wie Kino oder Fußball zu betrachten.“ Der gemeinsame Gottesdienst sei für Gläubige aber etwas fundamental Wichtiges, um bei „guter Gesundheit und spirituell stark“ zu bleiben.

Selbstverständnis erschüttert

In den vergangenen Wochen hat das Verbot entsprechend schwer am Selbstverständnis der katholischen Kirche in Italien genagt. Umso größer ist nun die Sehnsucht nach einer möglichst raschen Rückkehr zur Normalität nach dem Lockdown. Verhandlungen der Bischofskonferenz mit den zuständigen Ministerien laufen seit Tagen – unter steigendem Druck. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt der Papst. Vor rund einer Woche sprach er von einer „Gefahr“, wenn religiöse Kommunikation nur noch über die Medien stattfinde. „Das ist nicht die Kirche“, so Franziskus. Bei Privat-Messen, die über TV oder Internet übertragen würden, seien die Menschen „zusammen und doch nicht zusammen“. Zur Kirche gehörten die Gemeinschaft und die Sakramente.

Für viele waren die Worte des Papstes ein Startsignal, um endlich auf eine Aufhebung der Ausgangssperren und Versammlungsverbote zu drängen. Auch wenn der Notstand Anfang Mai noch nicht zu Ende sein werde, suche man die Erlaubnis zu gottesdienstlichen Feiern, versicherte Bischofskonferenz-Sprecher Ivan Maffeis. Ziel sei eine schrittweise Wiederaufnahme des kirchlichen Lebens ab dem 4. Mai. Vor allem müsse man Angehörigen die Gelegenheit zum Abschied von Verstorbenen mit einem Begräbnis geben, sagte Maffeis.

Ministerpräsident Conte versucht Grundzüge für Lockerungskonzept vorzulegen

Wie all dies im Detail vonstatten gehen soll, ist indes unklar. Während es den Optimisten nicht schnell genug gehen kann, treten Bedenkenträger angesichts der anhaltenden Seuchengefahr auf die Bremse. Ministerpräsident Giuseppe Conte versucht derweil, bis Ende dieser Woche die Grundzüge für ein ausgewogenes Lockerungskonzept vorzulegen, das ganz Italien gerecht wird. Ein Problem dabei: Laut Prognosen wird es in etlichen Regionen schon bald keine Neuinfektionen mehr geben, im Norden des Landes dagegen bleibt die Lage angespannt. Einheitliche Vorgaben sind daher schwierig.

Conte schrieb am Dienstag auf Facebook: „Ich wünschte, ich könnte sagen: Wir öffnen alles wieder. Sofort. Aber eine solche Entscheidung wäre unverantwortlich“, mahnte er. „Das würde die Ansteckungskurve des Virus erneut unkontrolliert steigen lassen und alle bisherigen Bemühungen zunichtemachen.“ Es könnte also sein, dass sich die Bistümer auf eine Lockerung der unterschiedlichen Geschwindigkeiten einstellen müssen.

Polizei verhängte ein Bußgeld

Einen Pfarrer im Bistum Cremona interessieren all diese Überlegungen offenbar herzlich wenig. Der 80-Jährige hielt bereits am Sonntag eine Eucharistiefeier mit 13 Gläubigen. Die Polizei verhängte ein Bußgeld. Während sich seine Diözese von dem Geistlichen distanzierte, gab es auch Zuspruch von hoher Stelle. Kurienkardinal Angelo Becciu stärkte dem Geistlichen laut italienischen Medien (Mittwoch) den Rücken dafür, dass er sich einem Abbruch der Messe durch die Polizei widersetzt habe. Niemandem sei es erlaubt, eine Messe zu unterbrechen, betonte Becciu.

Von Alexander Pitz (KNA)