München – Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat eine zu einem Gottesdienst umdeklarierte “Querdenker”-Demonstration auf der Theresienwiese kritisiert. “Es ist entlarvend, wie schamlos ausgerechnet angebliche Verteidiger der Grundrechte das Grundrecht auf Religionsfreiheit missbrauchen, um Demonstrations-Auflagen auszuhebeln”, schrieb Reiter auf dem städtischen Twitter-Kanal am Montag.
Der Sprecher der evangelisch-lutherischen Landeskirche, Johannes Minkus, nannte den Vorgang empörend und ärgerlich. Seit Monaten gäben sich tausende haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Kirchen Mühe, die staatlichen Vorgaben für Gottesdienste einzuhalten. Dies sei ein “Riesenaufwand”, jede Kirchengemeinde habe ein eigenes mit den Behörden abgestimmtes Schutzkonzept. Nicht zuletzt wegen dieser verlässlichen Zusammenarbeit habe der Staat die Spielräume für Gottesdienste weiter gezogen. Dass die Veranstalter der Demo das ausgenutzt hätten, sei “unfair”.
Generalvikar nennt Demonstration „Instrumentalisierung von kirchlichen ‚Formaten‘“
Der Generalvikar des Erzbistums München und Freising, Christoph Klingan, wandte sich gegen eine “Instrumentalisierung von kirchlichen ‘Formaten’ für politische Zwecke”. In der Diskussion um geltende Regeln im Umgang mit Corona setze die Kirche auf “Gebet, Solidarität und schlicht verantwortungsvolles Handeln”, nicht auf Verschwörungstheorien oder Schwarz-Weiß-Denken. Gottesdienste mit katholischer Beteiligung müssten bestimmte Standards erfüllen, dazu zählten auch Abstandsregeln und Maskenpflicht.
Auf der Theresienwiese hatte die Initiative “Querdenken 089” für Sonntagnachmittag eine Versammlung von 1.000 Teilnehmern genehmigt bekommen. Als diese Zahl überschritten wurde, teilte laut Polizeibericht ein Rechtsanwalt des Versammlungsleiters mit, dass nun keine Versammlung, sondern ein Gottesdienst stattfinden werde. Zunächst habe die Veranstaltung auch den Charakter eines Gottesdienstes gehabt.
In Bayern keine Teilnehmer-Obergrenze
Für Gottesdienste unter freiem Himmel gibt es in Bayern keine Teilnehmer-Obergrenze. Allerdings muss der Veranstalter für die Einhaltung der Abstandsregeln und der Maskenpflicht sorgen sowie ein Hygienekonzept vorlegen. Dies war auf der Theresienwiese nicht der Fall, wo auch der frühere Fernsehpfarrer Jürgen Fliege als Redner auftrat.
Die Polizei schritt zunächst nicht ein, beendete die Veranstaltung aber nach zweieinhalb Stunden, als sie sich “immer stärker in die Zielrichtung eines Konzerts entwickelte”. Dies wurde als Verstoß gegen den Schutz von Allerheiligen als stiller Feiertag gewertet.