Wenn es einen Impfstoff gibt – was dann?

Noch ist kein Impfstoff gegen Sars-CoV-2 auf dem Markt, aber Wissenschaftler forschen mit Hochdruck daran. Einige Zulassungsstudien laufen bereits. Nun drängt die Zeit, festzulegen, wer wann und wo geimpft wird.

Impfen Corona

(Symbolfoto: Alexandra_Koch/Pixabay)

„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“. Nicht gerade aufbauende Worte, die Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht „Herbsttag“ wählt. In Zeiten der Covid-19-Pandemie scheinen sie die Jahreszeit besonders treffend zu beschreiben: Die Infektionszahlen sowie die Zahl schwerer Covid-19-Fälle steigen stetig, und die verschärften Kontaktbeschränkungen müssen ihre Wirkung erst noch unter Beweis stellen. Hoffnungsschimmer ist ein möglicher Impfstoff gegen Sars-CoV-2.

Ein Impfstoff wird anfangs nicht reichen

Doch so einfach ist es nicht. Ein Impfstoff wird anfangs nicht reichen – nicht für 83 Millionen Deutsche und erst recht nicht für 7,9 Milliarden Weltbürger. Daher muss priorisiert werden, wer den Impfstoff in welcher Reihenfolge erhalten soll. Die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut (RKI) ist nach dem Infektionsschutzgesetz gerufen, Empfehlungen für eine Priorisierung zu geben. Nun haben Stiko, der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ethische und rechtliche Rahmenbedingungen erarbeitet für die später folgende Stiko-Impfempfehlung. Am Montag wollen die drei Gremien diese Rahmenbedingungen vorstellen.

Die Frage der Impf-Priorisierung ist unweigerlich eine ethische, denn jede Bevorzugung einer Personengruppe stellt eine eine andere hinten an. Und wenn ein Ungeimpfter sich doch infiziert und der Verlauf tödlich ist? Ziel sei es, durch eine Priorisierung bei möglicherweise eingeschränkter Verfügbarkeit bestmöglich schwere Erkrankungen und Todesfälle zu vermeiden. Das hatte die Stiko in ihrer ersten Stellungnahme zur Priorisierung im August erklärt.

Wie ist eine möglichst gerechte Verteilung des Impfstoffs nach ethischen Gesichtspunkten möglich?

Darüber hinaus soll laut Stiko das medizinische und pflegerische Versorgungssystem geschützt, aber auch nach ethischen Gesichtspunkten eine möglichst gerechte Verteilung erreicht werden. Vermutlich werden daher die Risikogruppen sowie medizinisches und pflegerisches Personal weit oben auf der Priorisierungsliste stehen – ein Wunsch, den auch die deutschen katholischen Bischöfe geäußert haben.

Dabei geht es derzeit nur um die Frage der Periodisierung in Deutschland, so sieht es der Arbeitsauftrag der Stiko vor. Die Frage nach der Verteilung der Impfdosen weltweit steht auf einem anderen Blatt, ist aber nicht minder ethisch relevant. Die Deutsche Bischofskonferenz warnte in diesem Zusammenhang vor „nationalen Egoismen“ und überhöhten Verkaufspreisen der Hersteller.

Die Priorisierung ist eine von vielen Baustellen

Doch die Priorisierung ist nur eine von vielen Baustellen. Denn selbst wenn es zum Jahreswechsel oder im Frühjahr einen Impfstoff gäbe, muss dieser sehr anspruchsvoll transportiert, kühl gelagert, verteilt, geimpft und dies dokumentiert werden. Die Liste der nicht abschließend gelösten Aufgaben ist demnach lang. Gerade mit Blick auf die Schnelligkeit der Entwicklung eines möglichen Impfstoffs ist laut Stiko zudem eine bundeseinheitliche Online-Dokumentation der Impfungen entscheidend. Die Sicherheit der Impfung im laufenden Betrieb muss kontrolliert werden – also darf nicht unklar sein, wer wann und wo geimpft wurde.

Fest steht, dass nicht die Hausärzte in die Lage kommensollen, einzelne Patienten zurückweisen zu müssen, wenn sie noch nicht auf der Priorisierungsliste stehen. Daher soll bundesweit Impfzentren entstehen. Doch die Errichtung ist – wie die Umsetzung der Impfempfehlungen – Aufgabe der Länder. Einige Länder wie Mecklenburg-Vorpommern wollen bis Jahresende Zentren bereitstellen. Wie sich jedoch derzeit bei den Gesundheitsämter zeigt, kann es in einzelnen Regionen schnell zu personeller Überlastung kommen.

Wie soll die Verteilung der Impfstoffe laufen?

Die Verteilung des Impfstoffe soll nach derzeitigem Stand über den Bund laufen – proportional zur Bevölkerung. Fraglich ist hierbei, wie und ob die Zusammensetzung der Bevölkerung, etwa der Anteil von Risikogruppen an der Gesamtbevölkerung in einem Bundesland, ein einkalkulierbar ist. Für all das braucht es Daten über die potenziellen Impfempfänger in der ersten Runde. Und weitere Dokumentation im Nachgang der Impfung. Und gute Kommunikation und Transparenz, damit letztlich alle mit der Entscheidung leben können.

Von Anna Mertens (KNA)