Frankfurt – Unter den Anhängern der Querdenker-Bewegung ist der Anteil von Wählern der Grünen, der AfD sowie der Linkspartei ausgesprochen hoch. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Soziologen Oliver Nachtwey von der Universität Basel, über die die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Samstag) berichtet. „Bei der letzten Bundestagswahl haben nach unserer Befragung 21 Prozent die Grünen und 17 Prozent die Linke gewählt. Der AfD haben 14 Prozent ihre Stimme gegeben. Bei der nächsten Bundestagswahl wollen nun aber 30 Prozent der AfD ihre Stimme geben“, sagte Nachtwey.
Charakteristisch für die neue Bewegung sei eine Entfremdung von den Institutionen des politischen Systems, den etablierten Medien und den alten Volksparteien. „Es ist eine Bewegung, die mehr von links kommt, aber stärker nach rechts geht, sie ist jedoch enorm widersprüchlich.“ Sozialstrukturell handele es sich um eine relativ alte und relativ akademische Bewegung. Das Durchschnittsalter betrage 47 Jahre, 31 Prozent hätten Abitur, 34 Prozent einen Studienabschluss, der Anteil Selbstständiger sei deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung.
Typisch für die Bewegung seien auch antisemitische Vorurteile, die zu einigen Verschwörungstheorien gehörten. Autoritäres Denken, Fremdenfeindlichkeit oder die Verharmlosung des Nationalsozialismus sei unter den Anhängern der Bewegung allerdings weniger verbreitet, sagte Nachtwey. Anders als in der öffentlichen Diskussion teilweise behauptet, spielten zudem kirchliche oder gar pietistische Haltungen eine untergeordnete Rolle.
Stattdessen sei für viele Querdenker, die die Gefahren des Coronavirus leugneten, ein ausgesprochener Hang zur Naturromantik charakteristisch: So vertrauen 41 der Befragten ihren „Gefühlen mehr als Institutionen und Experten“, stark ausgeprägt sei der Wunsch, Schulmedizin und alternative Heilmethoden gleich zu behandeln.
Die Forscher um Nachtwey befürchten, dass sich aus der Bewegung, die derzeit die politischen Corona-Maßnahmen kritisiere, in den nächsten Monaten eine wortmächtige impfkritische Bewegung entwickeln könnte.
Grundlage der Studie sind Befragungen in Querdenker-Telegram-Gruppen; die Wissenschaftler werteten 1.150 Fragebögen aus, die sie an Mitglieder dieser Gruppen versandt hatten. Repräsentativ ist die Studie deshalb nicht, auch weil in diesen Chat-Gruppen mehr als 100.000 sogenannte Querdenker registriert sind. Die Soziologen sprechen von einer deskriptiven statistischen Auswertung.