Missbrauch: Erstmals Vertuschungsvorwurf gegen Woelki

Erstmals sieht sich Kardinal Rainer Maria Woelki mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert.
Kardinal Woelki

Kardinal Rainer Maria Woelki (Foto: © bilder-erzbistum-koeln.de/Reiner Diart)

Erstmals sieht sich Kardinal Rainer Maria Woelki mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert. Er habe nach seinem Amtsantritt 2014 als Erzbischof von Köln entgegen dem Kirchenrecht den Fall eines damals rund 35 Jahre zurückliegenden schweren sexuellen Missbrauchs nicht nach Rom gemeldet, heißt es in einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag). Den gleichen Vorwurf treffe seinen Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner. Auf eine Anfrage zu dem Bericht reagierte die Erzdiözese zunächst nicht.

Laut Zeitung geht es um den 1929 geborenen und 2017 verstorbenen Düsseldorfer Pfarrer O., bei dem Woelki als Pastoralpraktikant und Diakon erste Seelsorgeerfahrungen machte. 2010 meldete sich ein Betroffener beim Erzbistum und zeigte den Geistlichen erst anonym an, bevor er dann die Identität des Täters und Einzelheiten mitteilte. Er warf O. vor, ihn als Kindergartenkind Ende der 1970er Jahre missbraucht zu haben. 2011 erhielt er in Anerkennung des Leids 15.000 Euro, dreimal mehr als der Regelsatz.

Meisner unterließ kirchenrechtliche Schritte

Nach Angaben der Zeitung hat Woelki 2015 nach Sichtung von Personalunterlagen verfügt, dass gegen O. nicht weiter vorgegangen werde. Dazu erklärte das Erzbistum laut der Zeitung, Woelki habe versucht, den konkreten Tatvorwurf recherchieren zu lassen. Doch der „sehr verschlechterte Gesundheitszustand“ von Pfarrer O. sowie die Entscheidung des Opfers, nicht an der Aufklärung mitzuwirken und sich keiner Konfrontation mit dem Beschuldigten auszusetzen, hätten die Einleitung einer kirchenrechtlichen Voruntersuchung unmöglich gemacht.

Auch Woelkis Vorgänger Meisner hat laut dem Bericht Schritte unterlassen, die Kirchenrecht und bischöfliche Leitlinien vorschreiben. Hier verwies das Erzbistum laut Zeitung ebenfalls auf den Gesundheitszustand von O. und den Wunsch des Opfers. Dem widersprach im „Stadt-Anzeiger“ der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Anuth. Auch wenn der Beschuldigte nicht habe angehört werden können, dann doch wenigstens sein damaliges Umfeld. Auch fragmentarische Ergebnisse seien an den Vatikan zu leiten, der dann über ein kirchenrechtliches Strafverfahren zu entscheiden habe.

Kirchenrechtler Thomas Schüller fordert Woelki zum Rücktritt auf

Unterdessen forderte der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller Woelki zum Rücktritt auf. Damit würde er „sich sehr peinliche Befragungen ersparen, die kirchenrechtlich zwangsläufig jetzt erfolgen“, sagte Schüller der „Rheinischen Post“ (Freitag). Es handele sich um eine „systematische Vertuschung“ und „eine beispiellose Katastrophe und eine schwerwiegende Krise für das Erzbistum Köln“. Es nütze auch nichts, jetzt auf Zeit zu spielen und bis zur Veröffentlichung der neuen Studie zu warten, die bis zum 18. März 2021 publiziert werden soll.

Der Fall O. gehört nach dem Bericht zu den Akten, die der Kölner Strafrechtler Björn Gercke im Auftrag Woelkis auf Vertuschung hin untersucht. Der Jurist bekam den Auftrag, nachdem Woelki die Untersuchung der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl nicht zur Veröffentlichung freigegeben hatte. Er begründete dies mit „methodischen Mängeln“.

Von Andreas Otto (KNA)