Stuttgart – Der Vorstandsvorsitzende des Katholischen Bibelwerks, Egbert Ballhorn, sieht den jüngsten Papst-Erlass zur erweiterten Mitwirkung von Laien in Gottesdiensten nicht ausreichend gewürdigt. Dies liege daran, dass eine in Deutschland seit Jahrzehnten geübte Praxis nun in geltendes Recht übersetzt werde: „Rom holt die deutsche Wirklichkeit ein.“ Für andere Teil der Welt stelle diese Regelung dagegen eine wichtige Neuerung dar.
Nach dem Erlass „Spiritus Domini“ (Der Geist des Herrn) dürfen Männer und Frauen stärker aktiv am Gottesdienst mitwirken, etwa Texte aus der Heiligen Schrift vorlesen oder die Kommunion austeilen. Auch die deutsche Kirche habe zu lernen, sagte Ballhorn. So brauche es eine Praxis offizieller Beauftragung von Lektoren, um diesen Dienst stärker ins Bewusstsein zu holen.
Neue Kultur für das Wort Gottes
Frauen und Männer im Kommunionhelfer- und Lektorendienst machten mehr, als nur für einen reibungslosen Ablauf des Gottesdienstes zu sorgen, sagte Ballhorn: „Das Lesen des Wortes Gottes ist Teil der Verkündigung.“ Es sei wichtig, die Bibel wieder stärker als Lebenskraft zu entdecken; die Erneuerung der Kirche könne nur von der Heiligen Schrift ausgehen. „Wir brauchen eine neue Kultur für das Wort Gottes. Ohne Bibel läuft die Kirche leer“, sagte der Wissenschaftler. Er ist seit 2019 Vorstandschef des in Stuttgart ansässigen Bibelwerks.
Ballhorn unterstrich zugleich, der Erlass von Franziskus könne die Diskussion über einen Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern nicht ersetzen. Der Papst hatte in dem Papier das Nein seiner Vorgänger zur Priesterweihe für Frauen bekräftigt. Ballhorn sagte, die Frage nach der Macht in der Kirche dürfe „nicht spiritualisiert werden“.
Premiere am kommenden Sonntag
In Deutschland wird seit 1982 jährlich am letzten Sonntag im Januar der ökumenische Bibelsonntag gefeiert. 2019 hatte Papst Franziskus festgelegt, dass der dritte Sonntag im katholischen liturgischen Jahreskreis weltweit als „Sonntag des Wortes Gottes“ zu begehen ist. Die Bischofskonferenz entschied daraufhin, diesen Tag gemeinsam mit dem ökumenischen Bibelsonntag zu feiern. Dies geschieht nun erstmals am kommenden Sonntag.