Der Hamburger Historiker Thomas Großbölting begrüßt die Debatte um eine Umbenennung des Kardinal-Höffner-Kreises in CDU und CSU.
Köln – Der Hamburger Historiker Thomas Großbölting begrüßt die Debatte um eine Umbenennung des Kardinal-Höffner-Kreises in CDU und CSU. Es sei angebracht zu hinterfragen, für welchen Politikstil der ehemalige Kölner Kardinal Joseph Höffner (1906-1987) stehe, erklärte der Professor für Zeitgeschichte an der Universität Hamburg dem Kölner Portal domradio.de am Donnerstag. Namensgebungen und Denkmalsetzungen sagten zwar auch etwas über die Person, die geehrt werden solle. Viel mehr sagten sie jedoch über Hintergründe, Werthaltungen und politischen Einstellungen derjenigen aus, die das Denkmal setzten.
Der Kardinal-Höffner-Kreis von Bundestagsabgeordneten der Union habe nach seiner Gründung 1992 ganz dezidiert einen konservativen Gegenpunkt gegen das wiedervereinigte Deutschland setzen wollen, so Großbölting. Mit Höffner verbinde sich hier ein Typus von Politik, nämlich ein stark patriarchalischer Stil, „in dem die konservative CDU mit den entsprechenden Kreisen aus der katholischen Kirche zusammengeht, also ein Politikmodell der 70er- und 80er-Jahre, was heute letztlich nicht mehr funktioniert“.
Vergangene Woche war bekannt geworden, dass sich der Kardinal-Höffner-Kreis mit seinem Namensgeber auseinandersetzten will. Anlass ist ein belastendes Missbrauchsgutachten für das Erzbistum Köln, das hohen Amtsträgern Pflichtverletzungen im Umgang mit dem Thema Missbrauch in der Kirche nachweist. So sollen unter anderem Erzbischöfe und Generalvikare Verdachtsfällen nicht nachgegangen sein und sich nicht angemessen um die Opfer gekümmert haben. Höffner war von 1969 bis 1987 Erzbischof von Köln. Ihm werden acht von insgesamt 75 Pflichtverletzungen in dem Gutachten vorgeworfen.
Der Kardinal sei zwar „ganz gefangen in der Mentalität der Zeit“ gewesen, sagte Großbölting. Allerdings müsse dem habilitierten Theologen klar gewesen sein, dass er die kirchenrechtlichen Regeln zugunsten der Täter sehr gebeugt habe. „Er war niemand, der auf blauen Dunst hin handelte. Und ab dem Punkt würde ich immer dazu raten, sehr ernsthaft darüber nachzudenken, auch eine Umbenennung vorzunehmen.“
Großbölting erstellt derzeit ein Missbrauchsgutachten für das Bistum Münster, das Höffner von 1962 bis 1969 als Bischof leitete. Ihm sowie den nachfolgenden Bischöfen Heinrich Tenhumberg und Reinhard Lettmann bescheinigen die Historiker ein „intensives Leitungs- und Kontrollversagen“. Die Untersuchung zählte bei der Vorstellung von Zwischenergebnissen im Dezember rund 300 Betroffene und 200 Beschuldigte. Im Frühjahr 2022 soll die fertige Studie vorliegen.