Der Vatikan prüft laut einem unbestätigten polnischen Medienbericht Vorwürfe der Missbrauchsvertuschung gegen Ex-Papstsekretär Kardinal Stanislaw Dziwisz.
Warschau – Der Vatikan prüft laut einem polnischen Medienbericht Vorwürfe der Missbrauchsvertuschung gegen Ex-Papstsekretär Kardinal Stanislaw Dziwisz. Wie das Internetportal Onet.pl (Freitag) meldet, setzte Papst Franziskus dazu eine Sonderkommission ein, die von Genuas Erzbischof, Kardinal Angelo Bagnasco, geleitet werde. Dziwisz ist einer der prominentesten Kirchenmänner Polens. Der 82-Jährige war Privatsekretär Papst Johannes Pauls II. und anschließend bis 2016 Erzbischof im südpolnischen Krakau.
Vertuschungsvorwürfe zurückgewiesen
Dziwisz hat Vertuschungsvorwürfe gegen ihn stets zurückgewiesen, sich aber mehrfach für eine unabhängige Untersuchung ausgesprochen.Polens Bischofskonferenz nahm zunächst nicht zu den Medienberichten Stellung. Der katholische Publizist Tomasz Terlikowski kommentierte das Vorgehen des Vatikan auf Twitter mit den Worten: “Vieles deutet darauf hin, dass uns ein Erdbeben erwartet.”
Bagnasco ist Vorsitzender des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Die Kommissionsmitglieder hätten bereits mehrere Personen vernommen, hieß es. Geplant sei auch eine Anhörung von Betroffenen sexueller Gewalt durch Priester. Der Vatikan habe die Kirche in Polen nicht über den Beginn der Arbeit der Kommission informiert, so Onet.pl. Die Meldung sorgte für Aufsehen.
Der Priester Tadeusz Isakowicz-Zaleski, der Missbrauchsbetroffene in Polen vertritt, wurde von Bagnasco bereits offiziell zu Vorwürfen gegen Dziwisz befragt, wie er dem Radiosender RMF FM bestätigte. Isakowicz-Zaleski wirft dem Kardinal seit langem vor, er sei den 2012 ihm übergebenen schriftlichen Hinweisen auf sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester in seiner Kirchenprovinz nicht nachgegangen.
Die Vorwürfe gegen Dziwisz stehen seit Monaten im Raum
Seit vielen Monaten stehen Vorwürfe gegen Dziwisz im Raum, er sei Hinweisen auf Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester nicht nachgegangen und habe versäumt, sie dem Vatikan zu melden. Ein Pfarrer hatte zuvor ein Schreiben an den Kardinal aus dem Jahr 2012 veröffentlicht, das er eigenen Angaben zufolge persönlich an Dziwisz übergeben habe. Darin wirft der Geistliche Priestern aus der Kirchenprovinz Krakau sexualisierte Gewalt an Jungen vor.
Polens staatliche Aufarbeitungskommission für sexuellen Kindesmissbrauch zeigte im März Dziwisz und weitere Bischöfe bei der Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen die Meldepflicht an. Dabei ging es um einen Priester, der im südpolnischen Bistum Bielsko-Zywiec von 1984 bis 1989 ein Kind etwa 500 mal missbraucht haben soll. Die katholische Kirche in Polen steht wegen bekanntgewordener Fälle von Missbrauchsvertuschung massiv unter Druck. Gegen einzelne Bischöfe verhängte der Vatikan Disziplinarstrafen wegen Versäumnissen beim Umgang mit Missbrauchsfällen.