Der Kölner Erzbischof hat gegen die „Bild“ mehrere Einstweilige Verfügungen erwirkt. Doch die Boulevard-Zeitung gibt nicht klein bei.
Köln – Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki geht gerichtlich gegen mehrere Berichte der „Bild“-Zeitung über den Umgang mit Missbrauchsfällen vor. Das Landgericht Köln bestätigte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) Angaben der von Woelki beauftragten Kölner Kanzlei Höcker. Demnach wurden Einstweilige Verfügungen gegen fünf Berichte aus den vergangenen Wochen erlassen. Eines der insgesamt vier Verfügungsverfahren zwischen Woelki und dem Axel Springer Verlag wurde auch am Oberlandesgericht verhandelt.
Der auf Presserecht spezialisierte Anwalt Ralf Höcker warf auf Twitter dem Springer-Blatt vor, bei Woelki „die Christian-Wulff-Nummer zu wiederholen“. Die Zeitung schreibe „einen Menschen mit frei erfundenen Lügen aus dem Amt“. So habe „Bild“-Redakteur Nikolaus Harbusch fälschlich über einen „geheim gehaltenen Bericht“ eines „anonymen Insiders“ des Erzbistums Köln geschrieben, heißt es in einer Pressemitteilung der Kanzlei weiter. Dem Journalisten sei schon vor Veröffentlichung in der Beantwortung seiner Anfrage mitgeteilt worden, dass der anonyme Bericht nicht geheim gehalten werde, sondern zum Anlass dafür genommen worden sei, den darin beschuldigten Priester auch durch einen Psychologen zu befragen und dessen Glaubwürdigkeit zu untersuchen.
„Verbreitung eines Lügenmärchens“
Harbusch sei zudem mitgeteilt worden, dass der anonyme Bericht auch von zwei externen Rechtsanwaltskanzleien überprüft worden sei, so die Kanzlei. Sie sollten sicherstellen, dass mit diesem Bericht in strafrechtlicher Hinsicht ordnungsgemäß umgegangen werde. Der verdächtigte Priester sei befragt und psychologisch untersucht worden und das Ganze „durch externe strafrechtlich spezialisierte Kanzleien ordnungsgemäß aufgearbeitet“ worden. Das Landgericht habe sowohl Harbusch persönlich sowie dem Verlag „die erneute Verbreitung eines Lügenmärchens“ verboten.
Eine weitere Einstweilige Verfügung bezieht sich auf einen „Bild“-Bericht über den 2017 zum stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten beförderten Priester D. Dieser hatte vor 20 Jahren sexuellen Kontakt zu einem 17-jährigen Prostituierten. Woelki und sein Generalvikar Markus Hofmann verteidigten die Personalentscheidung zunächst mit den Argumenten, es habe sich um einen einmaligen und bereuten Vorfall gehandelt, der überdies wegen des damaligen Schutzalters nicht strafbar gewesen sei. Inzwischen sprechen sie nachwochenlanger Kritik von Gläubigen und auch Seelsorgern von einem Fehler.
Axel Springer Verlag legt Rechtsmittel ein
Die Kanzlei Höcker wirft Harbusch vor, den falschen Verdacht in die Welt zu setzen, der Erzbischof habe bei der Ernennungsentscheidung ein warnendes Schreiben der Polizei sowie weitere belastende Berichte und Protokolle „aus der Missbrauchs-Akte“ gekannt. Dies alles sei frei erfunden und eine „ehrverletzende Falschberichterstattung“. „Kardinal Woelki kannte die Dokumente nicht“, betont die Kanzlei.
Zudem wirft sie Harbusch vor, „abträgliche Verdächtigungen“ über den Erzbischof verbreitet zu haben, ohne ihn vorher dazu angehört zu haben. Nach den durch den Bundesgerichtshof festgelegten journalistischen Sorgfaltspflichten habe ein Journalist den Betroffenen vor Veröffentlichung eines belastenden Verdachts die Gelegenheit zu geben, sich mit einer Stellungnahme zu entlasten oder den Verdacht gänzlich zu entkräften. Die von Harbusch an das Erzbistum gesandte E-Mail habe das Landgericht nicht als ausreichende Anhörung bewertet. Eine Neufassung des Berichts mit einer entlastenden Stellungnahme des Kardinals habe das Oberlandesgericht ebenfalls verboten, weil auch dieser Bericht die falsche Behauptung enthalte, Woelki habe Aktenkennntis gehabt.
Rücktrittsforderungen aus der Priesterschaft
Der Axel Springer Verlag nannte die Entscheidungen des Landgerichts Köln „nicht nachvollziehbar“. Sie berücksichtigten die Umstände der Berichterstattung nicht ausreichend, sagte ein Sprecher auf KNA-Anfrage. „Wir haben gegen die Verfügungen Rechtsmittel eingelegt.“ „Bild“ habe zutreffend und unter Einhaltung sämtlicher journalistischer Sorgfaltspflichten berichtet und vor der Veröffentlichung jeweils beim Erzbistum Köln um Stellungnahmen gebeten. Die Zeitung werde sich weiter mit dem Thema beschäftigen und die Verantwortlichen klar benennen.
Unterdessen erhielt Woelki aus seiner Priesterschaft Rücktrittsforderungen. Bei einem Treffen mit den Stadt- und Kreisdechanten sowie bei einer Begegnung mit den leitenden Pfarrern wurde der Kardinal am 25. Juni aufgefordert, aufgrund der anhaltenden Vertrauenskrise in der Erzdiözese persönliche Konsequenzen zu ziehen, wie es aus Teilnehmerkreisen hieß. Der Erzbischof habe deutlich gemacht, dass er auf eigene Initiative hin nicht zurücktreten werde. Der Widerstand gegen seine Person beruhe darauf, dass er als erster Bischof den sexuellen Missbrauch aufgearbeitet und er den bundesweiten Reformdialog Synodaler Weg kritisiert habe.