Bedford-Strohm: Flüchtlingskonvention unter Druck

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, hat zum 70. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention zur Verteidigung dieses internationalen Abkommens aufgerufen.
Berlin – Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, hat zum 70. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention zur Verteidigung dieses internationalen Abkommens aufgerufen. "Die Genfer Flüchtlingskonvention ist das wichtigste internationale Dokument für den Flüchtlingsschutz und bis heute unverzichtbar", sagte Bedford-Strohm dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Mittwoch). "Umso dringlicher ist es, die Genfer Flüchtlingskonvention auch selbst zu schützen. Denn immer dort, wo sie sich in der Umsetzung bewähren muss, gerät sie zunehmend auch selbst unter Druck."

Heinrich Bedford-Strohm (Foto: Spernol)

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, hat zum 70. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention zur Verteidigung dieses internationalen Abkommens aufgerufen. „Die Genfer Flüchtlingskonvention ist das wichtigste internationale Dokument für den Flüchtlingsschutz und bis heute unverzichtbar“, sagte Bedford-Strohm dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Mittwoch). „Umso dringlicher ist es, die Genfer Flüchtlingskonvention auch selbst zu schützen. Denn immer dort, wo sie sich in der Umsetzung bewähren muss, gerät sie zunehmend auch selbst unter Druck.“

Es müsse klar sein: „Die Würde und die Rechte von Menschen auf der Flucht sind unverhandelbar.“ Mehr als 82 Millionen Menschen seien weltweit vertrieben oder auf der Flucht. „Die meisten Geflüchteten finden Aufnahme in Nachbarländern, denen selbst das Nötigste fehlt. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage von Menschen auf der Flucht noch verschärft.“ Es sei ein Gebot christlicher Nächstenliebe, Menschen, die aus ihren Heimatländern vor Krieg und Elend fliehen, nicht ihrem Elend zu überlassen. „Es liegt an uns zu zeigen, was uns die Menschenwürde und die Menschenrechte wert sind.“

Am 28. Juli 1951 verabschiedeten 26 Staaten in Genf ein Abkommen zum Schutz von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg – die Genfer Flüchtlingskonvention.

kna

UN-Flüchtlingskonvention vor 70 Jahren verabschiedet – Schutzsuchende mit Rechten

Seit einem Menschenleben verbrieft das Abkommen von Genf die Rechte von Flüchtlingen. Was als völkerrechtliches Instrument für die Nachkriegszeit gedacht war, ist heute aktueller denn je.

Es ist ein erfolgreiches Kapitel in einer tristen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde die Genfer Flüchtlingskonvention verabschiedet. Seither wuchs die Zahl derer, die unter ihrem Schutz stehen. Der Hüter des Abkommens, UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi, erinnert an das Jubiläum mit einer bitteren Bemerkung: „Unglücklicherweise“ brauche es weiter seine Organisation, um die Staaten zur Einhaltung der vereinbarten Prinzipien zu mahnen.

Ursprünglich sollte die völkerrechtliche Vereinbarung damals helfen, vom Zweiten Weltkrieg hinterlassene Probleme zu lösen. Zehntausende waren entwurzelt und saßen oft ohne geklärten juristischen Status in der Fremde. Das am 28. Juli 1951 von einer UN-Sonderkonferenz verabschiedete „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ regelte – ohne ein Recht auf Asyl selbst zu verbriefen – Eckpunkte im Verhältnis zwischen Schutzsuchenden und Aufnahmestaaten.

Dazu gehören elementare Dinge: Flüchtlinge haben Anspruch auf ein Ausweisdokument, behördliche Unterstützung und Zugang zu Gerichten. Ihre Rechte dürfen nicht davon abhängen, wie ihr Heimatstaat selbst mit Flüchtlingen umgeht. Geschützt werden auch das Recht auf Eigentum, Bildung, Berufstätigkeit und Religionsfreiheit. Im Gegenzug haben Flüchtlinge Pflichten – etwa, die Gesetze ihres Aufenthaltslandes zu beachten.

Im Grunde erstreckte sich der Schutz der Konvention nur auf Personen, die „aufgrund von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind“, ihre Heimat verlassen mussten. Berücksichtigt wurde auch nur eine Handvoll Fluchtgründe, nämlich Verfolgung wegen „Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ oder einer politischen Überzeugung. Teils war die Konvention auf Europa beschränkt.

Aktuell haben 146 Staaten den Vertrag angenommen, 147 unterzeichneten ein Zusatzprotokoll von 1967, das die Fokussierung auf den Weltkrieg aufgab. Aber weiterhin bleibt der Flüchtlingsbegriff eng umgrenzt. Nicht jeder, der vor Gewalt oder Krieg flieht, ist Flüchtling im Sinne der Konvention, und schon gar nicht die vielen, die vor Naturkatastrophen, den Folgen des Klimawandels oder globaler Ungerechtigkeit Schutz suchen.

Nichtsdestoweniger steigen die Flüchtlingszahlen: 82,4 Millionen Menschen lebten vergangenes Jahr aufgrund von Verfolgung und Konflikten außerhalb ihrer Heimat – ungeachtet aller pandemiebedingter Reisebeschränkungen. UN-Flüchtlingshochkommissar Grandi erklärte dazu, die Flüchtlingskonvention und der Globale Pakt für Flüchtlinge böten das Werkzeug für dauerhafte Lösungen – es brauche aber „einen viel stärkeren politischen Willen, um Konflikte und Verfolgung, die Menschen überhaupt erst zur Flucht zwingen, anzugehen“.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, zu dessen Aufgaben die Verteidigung des Abkommens von 1951 zählt, setzt bei aller gebotenen Religionsneutralität ausdrücklich auch auf die katholische Kirche. Grandi lobt den „ganzheitlichen Ansatz“ von Papst Franziskus in der Flüchtlingsfrage und verweist auf dessen Enzyklika „Fratelli tutti“ über weltweite Solidarität. Man wolle „die bestehende Partnerschaft mit dem Vatikan im Hinblick auf die Ziele des globalen Flüchtlingspakts ausbauen“, sagte der UN-Hochkommissar nach einer Audienz im April.

Umgekehrt erinnern kirchliche Vertreter gern an die ethisch-moralischen Werte, die völkerrechtlichen Instrumenten wie der Flüchtlingskonvention zugrunde liegen. „Das Recht, Asyl zu suchen, bestätigt letztlich, dass wir eine Menschheitsfamilie sind“, erklärte Anfang Juli der Gesandte des Heiligen Stuhls in Genf und schob hinterher: Der Vatikan sei tief besorgt, dass die Pandemie teilweise „grundlegende Normen des Flüchtlingsrechts infrage gestellt“ habe, namentlich das „Kardinalprinzip“, dass Schutzsuchende nicht zurückgeschickt werden dürften. Es war dies ein Verweis auf das „Verbot der Ausweisung und Zurückweisung“, formuliert in Artikel 33 der Flüchtlingskonvention.

Von Burkhard Jürgens (KNA)