Das katholische Hilfswerk missio Aachen zeigt sich besorgt über den Schutz der Religionsfreiheit weltweit durch die künftige Bundesregierung.
Aachen – Das katholische Hilfswerk missio Aachen zeigt sich besorgt über den Schutz der Religionsfreiheit weltweit durch die künftige Bundesregierung. Aus dem am Mittwoch vorgelegten Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis/Die Grünen und FDP gehe nicht hervor, ob es weiterhin den Beauftragten der Bundesregierung für Religionsfreiheit weltweit geben wird, der bisher im Entwicklungsministerium angesiedelt war, sagte missio-Präsident Pfarrer Dirk Bingener (Mittwochabend) in Aachen. Sollte es diesen Beauftragten nicht mehr geben, wäre das “ein erheblicher Rückschritt im Einsatz für Religionsfreiheit für alle Menschen und den interreligiösen Dialog weltweit”.
Positiv bewertet missio Aachen die angekündigte Intensivierung des Kampfes gegen Menschenhandel und Formen moderner Sklaverei. Auch begrüßte Bingener den Erhalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Religion und interreligiöser Dialog seien ein “Schlüssel zum Verständnis der Gesellschaften im Globalen Süden und für die internationale Zusammenarbeit mit Afrika und Asien”, so missio. Wenn die neue Koalition die zivile Krisenprävention und Friedensförderung stärken wolle, dann seien Religionen und Kirchen wichtige Partner. Im Koalitionsvertrag sei davon aber nicht die Rede. Hier würde “die neue Regierung hinter das bisher Erreichte zurückfallen”, warnte Bingener.
Koalition für tiefgreifende gesellschaftspolitische Reformen
Deutschland steht mit dem am Mittwoch vorgelegten Koalitionsvertrag vor tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Reformen. Das Verhandlungsergebnis der Spitzen von SPD, Grünen und FDP muss noch von den Parteien bestätigt werden; bei Sozialdemokraten und Liberalen auf Parteitagen, bei den Grünen durch eine Urabstimmung.
Sollte Olaf Scholz (SPD) in zwei Wochen zum Kanzler gewählt werden, könnte es mit der Regierungskoalition zu einer deutlichen Liberalisierung in vielen Bereichen kommen. Dazu gehören etwa die Einführung eines Rechtsinstituts einer sogenannten Verantwortungsgemeinschaft, die zwischen Liebesbeziehung und Ehe möglich sein soll, ein Selbstbestimmungsgesetz statt eines Transsexuellengesetzes sowie die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen.
Lesbische Paare sollen dieselben Rechte wie heterosexuelle erhalten
Im Familienrecht wollen die drei Parteien mit dem Institut der Verantwortungsgemeinschaft zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Davon erwartet man sich auch eine Antwort auf die Herausforderungen einer individualistischeren und älter werdenden Gesellschaft. Lesbische Paare sollen dieselben Rechte wie heterosexuelle erhalten. So sollen bei einem Kind, das in die Ehe zweier Frauen geboren wird, automatisch beide Frauen rechtliche Mütter des Kindes werden. Damit gäbe es neben der leiblichen Mutter die “Mitmutter”. Einen Gesetzentwurf, der das vorsah, hatte die derzeitige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) bereits vorgelegt; er fand aber nicht die Zustimmung der Union.
Außerhalb der Ehe soll wiederum die Elternschaftsanerkennung unabhängig vom Geschlecht der anerkennenden Person oder von einem Scheidungsverfahren möglich sein. Dazu streben die Koalitionäre ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren an, in dem ein Kind seine Abstammung gerichtlich klären lassen kann, ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen. Einen neuen Anlauf wollen SPD, FDP und Grüne bei der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz unternehmen.
Ende des Ehegattensplittings geben wird, ist unklar
Ob es ein Ende des Ehegattensplittings geben wird, ist unklar. Hier wird wie bei manch anderer Frage von einer “Weiterentwicklung” gesprochen. So soll die Familienbesteuerung so “weiterentwickelt” werden, “dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden”. Für die Möglichkeit einer Abschaffung des Splittings spricht, dass die Steuerklassen III und V, die bei ungleich verdienenden Paaren greifen, in die Steuerklasse IV überführt werden.
SPD, Grüne und FDP wollen zudem das Werbeverbot für Abtreibungen streichen, den Paragraf 219a im Strafgesetzbuch. Auch das Bundesverfassungsgericht will darüber in den kommenden Monaten entscheiden. Die weitreichende Frage, ob “Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches” möglich ist, soll hingegen zunächst eine Kommission prüfen.
Legalisierung von Eizellspenden
Dasselbe gilt auch für eine Legalisierung von Eizellspenden und die selbst unter Koalitionären umstrittene “altruistische Leihmutterschaft”, bei der die Leihmutter eine “Entschädigung” für das Austragen eines Kindes bekommt. Zugleich will die Koalition rechtlich gegen Abtreibungsgegner vorgehen, wenn diese etwa Frauen, die einen Abbruch vornehmen lassen wollen, belästigen oder beschimpfen.
SPD, Grüne und FDP wollen nun auch das Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen – was bislang ebenfalls an CDU/CSU scheiterte. Eine Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstand soll dann grundsätzlich per Selbstauskunft möglich sein und ein “erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot” eingeführt werden. Die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen sollen die gesetzlichen Krankenversicherung übernehmen. Ferner will die Koalition ein vollständiges Verbot von Konversionsbehandlungen an homosexuellen Erwachsenen prüfen.