Regensburg: „Zu Stein gewordener Antisemitismus“

Eine judenfeindliche Darstellung an der Außenfassade des Regensburger Doms erhält in diesem Jahr eine neue Informationstafel.
Eine judenfeindliche Darstellung an der Außenfassade des Regensburger Doms erhält in diesem Jahr eine neue Informationstafel. Darauf haben sich Vertreter von Staat, jüdischer Gemeinde und katholischer Kirche verständigt. Die Ergebnisse wurden am Freitag in Regensburg vorgestellt. Der Text ist deutlich länger und prägnanter als die bisherige Hinweistafel aus dem Jahr 2005. Das Vorgehen in Regensburg soll zugleich Vorbild für den Umgang mit bundesweit rund 50 ähnlichen historischen Darstellungen sein.

Der Regensburger Dom (Foto: USA-Reiseblogger/Pixabay)

Regensburg – Eine judenfeindliche Darstellung an der Außenfassade des Regensburger Doms erhält in diesem Jahr eine neue Informationstafel. Darauf haben sich Vertreter von Staat, jüdischer Gemeinde und katholischer Kirche verständigt. Die Ergebnisse wurden am Freitag in Regensburg vorgestellt. Der Text ist deutlich länger und prägnanter als die bisherige Hinweistafel aus dem Jahr 2005. Das Vorgehen in Regensburg soll zugleich Vorbild für den Umgang mit bundesweit rund 50 ähnlichen historischen Darstellungen sein.

Kommentar von allen Beteiligten eines Runden Tisches gebilligt

Die Neufassung bezeichnet “Judensau”-Darstellungen als “zu Stein gewordenen Antisemitismus”. Das Motiv, das sich ab dem 13. Jahrhundert fast nur im deutschen Sprachraum finde, habe “Ekel und Verachtung gegenüber Jüdinnen und Juden” hervorrufen wollen. Diese seien damit “zu Feinden des Christentums” erklärt worden. “Ausgrenzung, Verfolgung bis hin zum Mord waren die Folge.” Heute solle diese Skulptur alle Menschen mahnen, “gegen jede Form von Propaganda, Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus vorzugehen”. Der Kommentar sei von allen Beteiligten eines Runden Tisches gebilligt worden, hieß es. Er werde in Deutsch und Englisch am Dom angebracht. Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle kündigte außerdem die Bereitstellung vertiefender Informationen an. Auch müssten Touristenführer entsprechend ausgebildet werden.

Ilse Danziger von der Jüdischen Gemeinde in Regensburg sagte, Antisemitismus sei heute “leider wieder überall präsent und auch wieder salonfähig geworden”. Darum sei es wichtig, “auf jede Art von Judenfeindlichkeit und Hass hinzuweisen”. Ihre Gemeinde habe daher von Anfang an eine Entfernung der Schmähskulptur abgelehnt, die zur Geschichte Regensburgs gehöre. Die bisherige Plexiglas-Tafel sei kaum sichtbar gewesen. Figur und Erklärtext müssten deutlicher als “Mahnmal” gestaltet werden. Den von der Münchner Professorin für Mittelalterliche Jüdische Geschichte und Kultur, Eva Haverkamp-Rott, in Abstimmung mit Spaenle erstellten Text bewertete Danziger als “sehr gut”. Die Skulptur wurde im 14. Jahrhundert rechts vom Südwesteingang des Domes gegenüber dem jüdischen Wohnviertel angebracht und ist inzwischen stark verwittert. Sie zeigt Männer, die an den Zitzen einer Sau saugen und ihr ins Ohr sprechen. Die Männer sind durch “Judenhüte” gekennzeichnet. Das Schwein gilt im Judentum als unreines Tier, in der christlichen Kunst verkörpert es den Teufel.

Antijüdische Darstellungen sollen nicht aus ihrem baulichen Kontext entfernt werden

Der neue Erklärtext liegt auf der Linie der Ende 2020 vorgestellten Vereinbarungen eines bayernweiten Runden Tisches. Demnach sollen antijüdische Darstellungen nicht aus ihrem baulichen Kontext entfernt, sondern an ihrem Platz beschrieben, bewertet und eingeordnet werden. Wichtig sei in jedem Fall ein breiter Dialog vor Ort. Spaenle sagte, damit könnten juristische Auseinandersetzungen vermieden werden, wie sie etwa um eine Schmähskulptur an der Wittenberger Schlosskirche geführt worden seien und inzwischen den Bundesgerichtshof beschäftigten. Nach seiner Auffassung verlangen nicht nur Darstellungen wie die “Judensau” nach einem neuen Umgang, sondern auch Figuren wie die “Synagoga” oder jüdische Grabsteine in christlichen Kirchen.

Für den Antisemitismusbeauftragten steht fest: „Darstellungen des Judenhasses dürfen nicht unkommentiert stehen bleiben, wir müssen einen grundsätzlich bewussten und verantwortungsvollen Umgang damit finden. Sie sollen deshalb auch nicht in einer Art von Bilderstürmerei beseitigt werden. Denn sie sind zugleich Erinnerungsorte für dramatische Vorstellungen vergangener Zeiten.“

Dokumentation

Die Hinweistafel von 2005:

“Diese Skulptur als steinernes Zeugnis einer vergangenen Epoche muss im Zusammenhang mit ihrer Zeit gesehen werden. Sie ist in ihrem antijüdischen Aussagegehalt für den heutigen Betrachter befremdlich. Das Verhältnis von Christentum und Judentum in unseren Tagen zeichnet sich durch Toleranz und gegenseitige Achtung aus.”

Die Neufassung (2022):

“‘Judensau’-Darstellungen sind zu Stein gewordener Antisemitismus. Das Motiv findet sich ab dem 13. Jahrhundert fast nur im deutschen Sprachraum. Obwohl das Schwein im Judentum als unrein gilt, wurde fälschlich behauptet, dass Juden wie Ferkel an einer Sau saugen. Diese Darstellung wollte Ekel und Verachtung gegenüber Jüdinnen und Juden hervorrufen und das Judentum angreifen. In der christlichen Kunst verkörpert das Schwein vor allem den Teufel. Behauptet wurde daher, dass Jüdinnen und Juden mit dem Teufel im Bunde seien, von ihm ‘genährt’ würden und seine Lehren aufnähmen. Diese Skulptur am Dom wurde im 14. Jahrhundert gegenüber dem jüdischen Wohnviertel angebracht. Sie zeigt Männer, die an den Zitzen einer Sau saugen und ihr ins Ohr sprechen. Die Männer sind durch ‘Judenhüte’ als Juden gekennzeichnet. Mit dieser menschenverachtenden Propaganda wurden Jüdinnen und Juden zu Feinden des Christentums erklärt. So wurde über Jahrhunderte Hass gegen sie geschürt. Ausgrenzung, Verfolgung bis hin zum Mord waren die Folge. Heute soll diese Skulptur alle Menschen mahnen, gegen jede Form von Propaganda, Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus vorzugehen.”

rwm/kna